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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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den Platanen und an manchen Stellen den Pappeln, konnte ich mich niemals am Fluß einsam fühlen. Mit so vielen Bäumen in der Stadt konnte man Tag für Tag den Frühling kommen sehen, bis ihn eine Nacht mit warmem Wind plötzlich eines Morgens brachte. Manchmal schlugen ihn die kalten, schweren Regenschauer zurück, so daß es schien, als ob er nie kommen würde, und daß du eine Jahreszeit aus deinem Leben verlorst. Das war die einzige wirklich traurige Zeit in Paris,

weil sie unnatürlich war. Man rechnete damit, im Herbst traurig zu sein. Ein Teil von dir starb jedes Jahr, wenn die Blätter von den Bäumen fielen und die Äste kahl gegen den Wind und das kalte, winterliche Licht standen. Aber du wußtest, daß es immer wieder Frühling werden würde, genau wie du wußtest, daß der Fluß, nachdem er zugefroren war, wieder fließen würde. Wenn die kalten Regenschauer anhielten und den Frühling töteten, war es, als ob ein junger Mensch ohne jeden Grund gestorben war. In jenen Tagen jedoch kam der Frühling schließlich immer, aber es war beängstigend, daß er beinahe ausgeblieben war.

    Ein trügerischer Frühling

    Wenn der Frühling kam, selbst der trügerische Frühling, gab es keine Probleme außer dem, wo man am glücklichsten sein würde. Das einzige, was einen Tag verderben konnte, waren Menschen, und wenn man vermeiden konnte, Verabredungen zu treffen, so war jeder Tag ohne Grenzen. Menschen waren immer die Begrenzer des Glücks, bis auf die sehr wenigen, die so gut waren wie der Frühling selbst.
    An den Frühlingstagen arbeitete ich schon zeitig, während meine Frau noch schlief. Die Fenster waren weit offen, und die Pflastersteine der Straße trockneten nach dem Regen. Die Sonne trocknete die nassen Fassaden der Häuser, die den Fenstern gegenüber waren.
    Die Geschäfte hatten noch die Rolladen vor. Der Ziegenhirt kam die Straße herauf und blies auf seiner Sackpfeife, und eine Frau, die ein Stockwerk über uns wohnte, kam mit einem großen Topf hinaus auf den Bürgersteig. Der Ziegenhirt wählte eine der schwereutrigen Milchziegen aus und melkte sie in den Topf, während sein Hund die anderen hinauf auf den Bürgersteig drängte. Die Ziegen blickten umher und drehten die Köpfe wie Touristen. Der Ziegenhirt nahm das Geld der Frau entgegen, bedankte sich und ging die Straße weiter hinauf und blies, und der Hund trieb die Ziegen, deren Hörner auf und ab schnellten, vorwärts. Ich ging wieder an die Arbeit, und die Frau kam mit der Ziegenmilch die Treppe herauf. Sie trug ihre Hausschuhe mit den Filzsohlen, und ich hörte sie nur atmen, als sie auf den Stufen vor unserer Tür stehenblieb, und dann das Schließen ihrer Tür. Sie war die einzige Kundin für Ziegenmilch in unserem Haus. Ich beschloß hinunterzugehen und die Morgenausgabe einer Rennzeitung zu kaufen. Kein Viertel war zu arm, um nicht wenigstens ein Exemplar einer Rennzeitung zu haben, aber an einem Tag wie diesem mußte man sie früh kaufen. Ich fand eine in der Rue Descartes an der Ecke der Place Contrescarpe. Die Ziegen gingen die Rue Descartes hinunter, und ich atmete die Luft tief ein und ging schnell zurück, um die Treppen hinaufzuklettern und meine Arbeit hinter mich zu bringen. Es war sehr verlockend gewesen, draußen zu bleiben und den Ziegen die frühmorgendliche Straße hinunter zu folgen. Aber ehe ich wieder zu arbeiten begann, sah ich in die Zeitung. Sie liefen in Enghien auf der kleinen, hübschen, trügerischen Bahn, auf der die Außenseiter zu Hause waren.
    Wir wollten also an dem Tag, wenn ich fertig gearbeitet hatte, zum Rennen gehen. Von der Torontoer Zeitung, für die ich berichtete, war etwas Geld gekommen, und wir wollten auf einen absoluten Außenseiter setzen, falls wir einen finden konnten. Meine Frau hatte einmal in Auteuil auf ein Pferd, das ›Chèvre d'Or‹ hieß, gesetzt, das einhundertzwanzig zu eins gelegt wurde und das mit zwanzig Längen führte, als es beim letzten Sprung stürzte - mit genügend Ersparnissen drauf, um unseren Lebensunterhalt sechs Monate zu bestreiten. Wir gaben uns Mühe, niemals daran zu denken. In dem Jahr standen wir gut - bis ›Chèvre d'Or‹.
    «Haben wir genug Geld, um wirklich etwas zu setzen, Tatie?» fragte meine Frau.
    «Nein, wir kalkulieren einfach, wir geben aus, was wir mitnehmen. Gibt es irgend etwas, wofür du's Heber ausgeben möchtest?» «Hm», sagte sie.
    «Ich weiß, es ist furchtbar schwer für dich gewesen, und ich war
knauserig und geizig mit dem

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