Paris ist eine Messe wert
den Knochen, und alles an ihr, Haltung, Blick, Lächeln und die Art, wie sie den schönen Kopf auf dem eleganten Hals bewegte, zeigte eine italienische Grazie, die ihre Tochter nie besaß.
Ich glaube, so vorsichtig meine Blicke auch waren, verrieten sie doch die Gefühle, mit welchen ich sie betrachtete, denn während die Montpensier endlos schwatzte und mich so wenig beachtete wie das Tabouret, auf das sie ihre Füße setzte, schien Madame de Nemours meine demütigende Situation zu bemerken, wie ich da still und stumm hinter den Damen stand, obwohl ihre Tochter mich doch vorgelassen hatte. Und eine Pause im Geschwätz der Hinkefuß nutzend, wandte sie mir den feinen Kopf zu und trieb die Leutseligkeit so weit, mich mit Ihr anzureden.
»Nun, Herr Tuchhändler«, sagte sie freundlich, »was habt Ihr uns mitzuteilen? Ich bin neugierig, Euch zu hören.«
»Madame«, sagte ich mit tiefer Verneigung, »ich warte, daß Eure Frau Tochter mir zu sprechen befiehlt.«
»Also, rede schon, Tuchhändler«, sagte die Montpensier ziemlich mürrisch, als hätte der sanfte Tadel ihrer Mutter sie doch ein wenig berührt.
Worauf ich ihr eine ebenso tiefe Verneigung machte wie ihrer Mutter, und eine weitere Jeanne de La Vasseliére, denn Handelsleute, so hart sie auch um jeden halben Sou feilschen, geizen niemals mit Höflichkeiten.
»Madame«, sagte ich, an die Montpensier als Hausherrin gewandt, »ich heiße Coulondre und bin Tuchhändler in Châteaudun, wo ich mit meiner verwitweten Kusine ein Geschäft betreibe. Als ich in meiner Provinz nur wenige Stoffe absetzen konnte, beschloß ich Ende April, wenigstens meine Brokate in Paris zu verkaufen, und wurde Anfang Mai zu Corbeil samt meiner Kutsche und meinen Commis’ vom König von Navarra gefangengesetzt.«
»Tuchhändler«, sagte ruppig die Montpensier, »wenn dein Geschwafel darauf aus ist, das Zeug in deiner Kiepe loszuschlagen, vergeudest du Zeit.«
|245| »Nein, Madame«, sagte ich, indem ich mich verneigte, so leid ich der ewigen Verneigungen auch war, »dies ist nicht meine Absicht. Ich habe ganz anderes im Sinn.«
»Die Pest über deine Geheimniskrämerei«, rief die Montpensier. »Komm zur Sache!«
»Fahrt fort, Herr Tuchhändler«, sagte Madame de Nemours. »Wir lauschen Euch mit Geduld.«
»Vielen Dank, meine Damen«, sagte ich, so als würde besagte Geduld meiner Wenigkeit von allen dreien zuteil. »Ich wurde also zwei Tage in Corbeil gefangengehalten und unversehens vor den König von Navarra geführt. Er versprach mir einen Paß, um seine Linien zu passieren, und empfahl mir, bevor ich nach Paris ginge, mich gut mit Vorräten einzudecken, weil er die Stadt durch Aushungern bezwingen wolle. Was ich tat.«
»Das glaube ich«, sagte die Montpensier gallig, »du bist fett wie die Ratz im Käse.«
»Er ist nicht fett«, entgegnete Madame de Nemours wohlwollend, »er ist gesund und gut beieinander.«
»Was schert es mich, ob er gesund ist?« sagte die Montpensier. »Worauf will er hinaus?«
»Dazu komme ich, Madame«, versetzte ich mit neuerlichem Buckelkrümmen. »Navarra sagte auch, wenn ich in Paris erfahren sollte, daß seine teuren Kusinen, die lothringischen Fürstinnen, Hunger litten, so wolle er mir, wenn ich wieder zu ihm käme, alles geben, wessen sie bedürften, denn er führe keinen Krieg gegen Frauen.«
»Heuchler!« rief plötzlich die Vasselière, die bis dahin den Mund nicht aufgetan und mich nur sehr neugierig beobachtet hatte. »Dieser stinkende Bock«, fuhr sie fort, »hat ein gutes Mittel gefunden, uns zu vergiften!«
»Aber nicht doch«, sagte Madame de Nemours. »Navarra ist unserer Familie gegenüber völlig unschuldig: Mit der Ermordung meines Gemahls hatte Navarra schwerlich zu tun, er war damals zehn Jahre alt. Und die Ermordung meiner Söhne war allein das Werk Heinrichs III., während Navarra sich beschäftigte, besagtem Heinrich Stadt um Stadt zu nehmen.«
»Auch wenn er den Guises nichts getan hat, ist Euer Navarra doch ein Feind des Staates und der heiligen Religion!« rief die Vasselière.
»Aber kein Feind meiner Familie«, sagte sanft Madame de |246| Nemours, die wie Katharina von Medici dazu neigte, ihre Familie über das Reich zu stellen.
»Ein Ketzer ist er!« fauchte die Vasselière.
»Schnickschnack, liebe Frau Nichte!« sagte Madame de Nemours, »meine Mutter war fast eine Ketzerin und mein Vater auch, und beide beschlossen ihre Tage fromm im Schoß unserer heiligen Mutter Kirche. Wenn Navarra Paris nimmt, werden
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