Paris ist eine Messe wert
Chapelle-Marteau und ihrem Hündchen, was mir die Muße ließ, Redende und Zuhörerinnen zu betrachten, nicht ohne meine Blicke unter scheinbarem Respekt zu verhehlen.
Der Leser kennt Mademoiselle de La Vasselière bereits. Um einen Brief zu rauben, hatte sie in einer Herberge meinen vorgeblichen Diener Mundane ermordet (nachdem sie in sein Bett gestiegen war), der in Wahrheit ein Edelmann im Dienst der Königin Elisabeth war und den ich auf Geheiß meines Königs in meiner Suite versteckt hatte, als ich Epernon auf seiner Gesandtschaft zu Navarra in die Guyenne begleitete. Und ich sage von dieser leibhaftigen Teufelin nur noch, daß sie groß und brünett war, gut, meinetwegen auch schön, wenn der Leser will, obwohl ich bezweifle, daß ihre schwefligen Reize ihn verlocken würden, wenn er sie kennte wie ich.
Dagegen war die Montpensier, wenn ich es so ausdrücken darf, von unschuldigerer Grausamkeit. Als Tochter eines François de Guise, der nach der Königsmacht gestrebt hatte, und Schwester eines Henri de Guise, den es gleichfalls nach dem Zepter gelüstet hatte, war sie nach beider Ermordung noch immer die Schwester eines Mayenne, der nun seinerseits mit seinem Wanst die Stufen des Throns zu erklimmen hoffte, und vermochte folglich gar nicht, sich anders als königlich und erhaben über die gemeine Menschheit zu begreifen. In der täglichen Praxis jedoch und wiewohl die Predigten ihrer Pfaffen mörderisch genug waren, tötete sie nicht über das notwendige Maß hinaus und ohne den erbitterten Furor der Vasselière.
Von ihrer Leiblichkeit her kannte ich die Montpensier gut, weil sie mich bei meinem ersten und einzigen Besuch in ihrem Haus – und in meiner wahren Gestalt –, quasi, das Messer an der Kehle, gezwungen hatte, sie auf jene bizarre Weise zu vögeln, die ich andernorts 1 erzählte (die Dame war eine Messalina, die, |243| wie der lateinische Autor sagt, »sich erschöpfte, ohne satt zu werden«). Sie war groß, blond, hatte lebhafte blaue Augen, einen »rundum runden« Körper, wie Héloïse es nennen würde, nur daß ihre Rundungen seit zwei Monaten vom Darben dahinschwanden. Aber rund oder nicht, und sosehr ich das Geschlecht auch liebe, dem die Montpensier in ihrer Reife angehörte, konnte ich doch nicht umhin, sie mit stillem Haß und Widerwillen zu betrachten, wußte ich doch, daß sie es gewesen war, die den Arm Jacques Cléments gegen meinen geliebten Herrn bewaffnet hatte.
War nun die Montpensier von Statur, Farben und Habitus her ganz Lothringerin, so war ihre Mutter, Madame de Nemours, halb Französin und halb Italienerin, denn ihre Mutter war Renée de France und ihr Vater der Herzog von Ferrara gewesen. Allein schon diese ihre Ursprünge machten sie mir liebenswert: Renée de France hatte die Hugenotten beschützt, und der Herzog von Ferrara war der reformierten Religion sehr zugetan gewesen. Natürlich mußte die Fürstin durch ihre Vermählung mit François de Guise katholisch und ligistisch werden, doch war sie es ihr Leben lang nur lau, eher aus Pflicht denn aus Liebe. Zudem paßten die gewaltsamen Leidenschaften der Liga nicht zu ihrer natürlichen Güte, die so einmütig anerkannt wurde, daß unser perigurdinischer Freund Brantôme von ihr sagte, »niemand hat je sich gefunden, dem sie Unbill antat noch Wunden«. Die Erde, wenn nicht der Himmel, mag eines Tages staunen, daß diese engelgleiche Frau Kinder hatte gebären können wie Guise, den Kardinal, wie Mayenne und die Montpensier, ihr schlimmstes.
An Trauerfällen mangelte es ihr nicht, ihren ersten Gemahl und zwei ihrer Söhne hatte sie durch Mord verloren und ihren zweiten Gemahl, Nemours, durch Krankheit, gleichwohl vermochte nichts ihre sanftmütige Seele anhaltend zu verbittern, und ihre leibliche Hülle erstrahlte in himmlischem Glanz, gemahnte sie doch an ihre Großmutter, Lucrezia Borgia, von der sie, außer den Lastern, alles geerbt hatte, die dichten blonden Haare, die himmelblauen Augen, den zierlichen Mund und den Schwanenhals. Mein Vater, der sie gesehen hatte, als sie mit achtzehn Jahren François de Guise heiratete, erzählte mir oft, daß er die Prinzessin in der Blüte ihrer Jahre als die schönste Frau der Christenheit ansah.
|244| Sie war an dem Tag, von dem ich hier spreche, siebenundfünfzig Jahre alt, die Haare noch immer schön, aber vom Alter bereift, was ihre sanften Züge nur noch sanfter machte. Ihr Gesicht war trotz der Jahre wundersam jung geblieben, gar nicht welk, sondern glatt und fest über
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