Paris ist eine Messe wert
schlagen.«
»Ihr habt gut reden«, sagte Quéribus, seine blonden Locken schüttelnd, die an den Schläfen schon ergrauten. »Ich jedenfalls werde ihm stets nur mit einem Zipfel meines Herzens gehören. Dennoch«, setzte er hinzu, weil mein Vater ihn mit |275| durchdringendem Blick musterte, »halte ich ihm die Treue. Mir gebietet es die Ehre, in seinem Lager zu bleiben, um die Ermordung meines Königs zu rächen.«
»Das ist gut gesprochen und gut gedacht, mein Schwiegersohn!« sagte der Baron von Mespech.
Hierauf nahm Quéribus Urlaub von meinem Vater und mir und schenkte auch Fogacer lächelnd ein freundliches Wort, denn war der auch kein Edelmann, hatte er Catherine doch jüngst von einer lästigen Krankheit geheilt.
»Mi fili«
, sagte Fogacer, nachdem Quéribus mit meinem Vater in den Saal hinausgegangen war, »ich bin untröstlich, daß ich deine Gastfreundschaft so lange mißbrauche, aber die Hetze gegen mich ist in Paris nicht verstummt – weil ich als schwul und gottlos verschrien bin –, und so habe ich kein anderes Dach als deins.«
»Wo du immer willkommen bist, Magister«, sagte ich, »so lange du magst. Zumal ich höre, daß du meine Familie, mein Gesinde und meine Bauern behandelst. Das ist für Chêne Rogneux eine Ehre, Herr Leibarzt des seligen Königs. Aber«, setzte ich ungeduldig hinzu, um die Abwesenheit meines Vaters zu nutzen, »was ist mit Angelina und mit der Besserung, die du bei ihr zu beobachten meintest?«
»Die ist unzweifelhaft. So übermäßig erregt, fiebrig und unbeherrscht sie vorher war, so ruhig und ausgeglichen, geduldig und sanftmütig ist sie jetzt.«
»Ha!« sagte ich, »das sind gute Nachrichten! Hat Alazaïs dieses Wunder vollbracht?«
»Alazaïs hat dem unausstehlichen Betragen Angelinas von Anfang an Grenzen gesetzt. Geheilt hat sie sie nicht. Die Heilung kam aus ihr selbst, wie und warum, wer weiß es?«
»Aber du vermutest doch etwas?«
»Mi fili, hypotheses non fingo«
, 1 entgegnete Fogacer, »auf keinem Wissensgebiet. Sagen die einen: ›Gott hat die Welt geschaffen‹, so sage ich: ›Die Welt ist.‹ Und basta.«
Ich hätte auf diese Gottesleugnung geantwortet, wäre mein Vater nicht in dem Moment in die Bibliothek zurückgekehrt. Und weil Fogacer sich denken konnte, daß er mich vertraulich sprechen wollte, ließ er uns allein.
|276| »Mein Sohn«, sagte mein Vater, da er mich besorgt und nachdenklich fand und den Grund erriet, »seid Ihr nicht ein wenig sehr kalt und hart gegen Angelina? In der ganzen langen Zeit, die Ihr fern wart, hatte sie nur Euren Namen im Mund und Euch im Herzen. Ich brauchte ihr in den zwei Monaten, die ich hier bin, nur Geschichten aus Eurer Kindheit und Jugend zu erzählen, und ihr schönes Gesicht erstrahlte. Ich sehe nicht, was man an ihrer Aufführung tadeln könnte. Für mich ist sie, wie sie immer war.«
»Vater, Ihr habt sie nicht in ihrer Narretei erlebt.«
»Jede Frau«, sagte mein Vater, »und wahrscheinlich auch jeder Mann, hat Zeiten von Unvernunft. Wißt Ihr, daß Eure Mutter Alazaïs im Zorn einmal fast erschlagen hätte?«
»Barberine hat es mir erzählt.«
Was Angelina betraf, beunruhigte mich noch so manches, doch wollte ich es jetzt nicht erörtern.
»Was meint Ihr, Vater, zu Quéribus und seiner Beurteilung des Königs?« fragte ich darum.
»Von den Schildkröten einmal abgesehen«, versetzte mein Vater, »denke ich, daß er wiedergibt, was der katholische Adel im allgemeinen von Navarra sagt. Dem letzten Valois nachzufolgen ist nicht einfach, mein Sohn. Heinrich III. hat dem Adel eine bestimmte Vorstellung vom König eingepflanzt, die nicht leicht auszurotten ist, nicht nur, was Eleganz, Manieren, Sprache und Luxus anbelangt, sondern vor allem die verschwenderische Freigebigkeit, in der Heinrich alle Monarchen der Christenheit übertraf und die oft in keinem Verhältnis zu den erwiesenen Diensten stand. So kommt es, daß die Adligen jetzt wie verwöhnte Kinder fortwährend Geschenke vom Herrscher erwarten. Aber der Béarnaiser ist zu sehr Hugenotte, um auf dem Ohr zu hören. Daher die Vorwürfe, er sei geizig und grob.«
»Grob? Haltet Ihr ihn für grob?«
»Zu meinem Bedauern, mein Sohn, muß ich sagen: manchmal ist er es.«
»Zum Beispiel?«
»Die beiden Nonnen in Montmartre und Longchamps … Der König weiß, daß die Mehrheit des Volkes katholisch ist – mußte er es also durch etwas verletzen, was besagtes Volk als Sakrileg empfindet?«
Ha! das hatte ich nicht bedacht, aber mein Vater
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