Paris ist eine Messe wert
Biron?‹
›In Paris sagen alle, Ihr hättet die Religion gewechselt.‹
›Wieso?‹
›Die von Montmartre gegen die von Longchamps.‹«
Leser, ich will nicht verschweigen, daß ich hellauf lachte, |271| und Miroul auch, mit der Hand vorm Mund und wackelndem Bauch. Ich gestehe es in aller Ehrfurcht vor den Kirchen, wenn auch – seit der Ermordung meines Königs – nicht mehr vor Klöstern und Abteien, deren Mauern gar nicht hoch genug sein können, um Dinge zu verbergen, die besser nicht bekannt werden sollten.
Nun, kurz hierauf hörte ich von Rosny, daß mein Vater sich auf mein Gut begeben habe, um sich von einem Gichtanfall zu erholen, und so hatte ich, außer daß ich dort Picard und Breton unterbringen und meine Vorräte billig aufstocken wollte, einen weiteren Grund, nach Chêne Rogneux zu gehen. Und am Tag nach der Einnahme der Pariser Vororte vom König beurlaubt, blies ich zum Aufbruch, verzögerte mein Eintreffen aber trotz aller Ungeduld, bis es dunkelte, um in Montfort nicht erkannt zu werden.
Zu meiner großen Freude fand ich daheim nicht nur Angelina und meinen Vater, sondern es saß um den hellerleuchteten und mit saftigem Fleisch und Flaschen reich besetzten Tisch alles, was ich an Familie und guten Freunden hatte (bis auf meinen ältesten Bruder, den ich, ehrlich gesagt, zu meinem Glück auch nicht brauchte). Da waren mein schöner Bruder Samson, seine Gertrude und Zara, Quéribus und mein Schwesterchen Catherine und, um ihn zu guter Letzt zu nennen, Fogacer. Unter fröhlichen Umarmungen und Küssen von allen Seiten wäre ich fast erstickt, bis ich mich davonstehlen konnte, mich erst einmal zu reinigen und in frische Kleider zu schlüpfen. Dann schlich ich zu allen meinen Kinderchen, die schon zu Bett waren. Und als ich vergnügt in den Saal zurückkehrte, wurde ich wieder umringt, geliebkost, getätschelt, abgeklopft und abgeschmatzt, was ich alles überglücklich erwiderte, als würde die gegenseitige Liebe nicht satt.
Als ich endlich mit küssefeuchten Wangen an der Tafel saß, konnte ich die allseitige Freude noch durch die Nachricht steigern, die bisher nicht zu ihnen gelangt war, daß der König die Pariser Vororte eingenommen hatte, denn keiner der Anwesenden bezweifelte nun mehr, daß die Einnahme der Hauptstadt nahe bevorstünde und die endlosen, grausamen Jahre des Bruderkriegs bald ein Ende hätten. Über meinen geheimen Auftrag verlor ich indessen kein Wort, und weil alle um meine Rolle in |272| Boulogne, Sedan und am Tag der Barrikaden wußten und mich bei der Ankunft in meinen Kaufmannskleidern gesehen hatten, fragte mich auch niemand danach, nur wurde ich geneckt und aufgezogen wegen meines Bartes. Da ich aber keine solche Zurückhaltung zu üben hatte, stellte ich meinerseits bald diesem, bald jenem eine Frage, nach meinen Kindern, meinem Gut und wie es in Montfort stehe, worauf ich erfuhr, daß dort seit unserem Sieg bei Ivry und der Umzingelung von Paris die »Politiker« deutlich Oberwasser über die Ligisten gewonnen hätten.
Angelina saß mir am Tisch gegenüber, und die ganze Zeit sah sie mich still und ruhig aus ihren schönen schwarzen Augen an, in denen ich gewiß große Liebe hätte lesen können, hätte ich sie nur einmal länger angeblickt als für einen Wimpernschlag, zwischen einem Aufblühen meiner Gefühle und wiederkehrenden Zweifeln zerrissen.
Nach dem Mahl, von den Damen nur ungern entlassen, gerieten wir fünf, mein Vater, Quéribus, Samson, Fogacer und ich, in meiner Bibliothek in ein angeregtes Gespräch über alles mögliche, das nur einmal von Gertrude unterbrochen wurde, die Samson ermahnte, er solle sich nicht zu lange in der Männerrunde verweilen, weil eines der Kinder krank zu Hause läge; und dann von Angelina, die mir errötend ins Ohr flüsterte, sie wolle mich, ehe ich zu Bett ginge, unter vier Augen sprechen.
»Was ist mit Euch, Pierre?« fragte mein Vater leise, als ich nach Samsons Verabschiedung zurückkam in die Bibliothek, »warum macht Ihr so zerfurchte Miene?«
»Ach, Herr Vater«, sagte ich leise, »es enttäuscht mich, daß Samson ein so gefügiger Ehemann ist.«
»Bah!« sagte der Baron von Mespech, »Samson hat keine Mutter gekannt, und Gertrude, die ja auch älter ist als er, ist ihm Mutter und Gattin in einem. Und mag ihre Herrschaft auch absolut sein, ist sie doch milde und wohlwollend, denn unser Samson ist von einer Unschuld, daß er ohne Gertrude ständigen Gefahren ausgesetzt wäre. Und wenn er, wie ich glaube,
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