Paris ist eine Messe wert
der Tasche, hielt ihn dem Papagei vor, und der fing tatsächlich an zu kakeln.
›Donnerschlag, Madame!‹ sagte Vitry lachend, ›ich glaube, der ist bei den Pariser Pfaffen in die Schule gegangen. Für Geld legt er los.‹«
|416| Ich versuchte sie weiter auszuholen, doch wußte sie über den Mann nur Bettgeheimnisse, die ich, wie Quéribus gesagt hatte, sogleich in der »Jagdtasche meines Vergessens« versenkte. Dennoch ging ich nicht mit leeren Händen, denn der Scherz über den Papagei zeigte, daß der Marquis eher »poli tisch « denn ligistisch dachte, und guten Mutes sah ich meiner Mission entgegen.
Die Hexerei beim Schreiben ist, daß man schneller von einem Ort zum anderen gelangt, als eine Taube fliegt. Und war es von Saint-Denis nach Meaux auch ein guter Tagesritt, findet sich der Leser, kaum daß er der rundlichen kleinen Gestalt der Goulue auf dem Markt nachgesehen hat, auch schon ins Haus des Gouverneurs von Meaux versetzt und bekommt es wie ich mit seiner imposanten und hochmütigen Person zu tun.
»Marquis de Siorac?« sagte Vitry, indem er mich stirnrunzelnd von Kopf bis Fuß musterte. Weshalb auch ich ihn ohne jede Demut ins Auge faßte, weder zufrieden noch unzufrieden mit dem, was ich sah, denn der Mann entsprach ganz der Beschreibung, die Quéribus von ihm gegeben hatte.
Prälaten, sagt man, sind liebenswürdig, Soldaten rauh, Händler schmeichlerisch. Mag sein, es gibt auch rauhe Prälaten, wie der Kardinal von Guise einer war, dem seine Rauhheit allerdings schlecht bekam; doch nie habe ich einen liebenswürdigen Soldaten erlebt, und Vitry machte keine Ausnahme. Er sah aus wie mit der Hippe zugehauen und von härtestem Holz, ausgestattet mit einer Nase, deren Ausmaß Madame de Nemours nicht beanstandet hätte, und schwarzen Augen, die unter den buschigen Brauen auf mich starrten wie Kanonenrohre.
»Marquis de Siorac?« wiederholte Monsieur de Vitry mit etwas Bedrohlichem in Blick, Kinn und Stimme, als wolle er gleich schießen. »Am Hof Heinrichs III. ist mir ein paarmal ein kleiner Chevalier de Siorac untergekommen, der so was wie einen Doktor spielte, aber einen Marquis de Siorac habe ich zu kennen nicht die Ehre.«
»Dieser kleine Chevalier war ich«, sagte ich, ohne mit einer Wimper zu zucken. »Der selige König hat mich zum Baron gemacht und Heinrich IV. zum Marquis.«
»Wird die Medizin so hoch geehrt?« fragte Vitry.
»Nein, Monsieur«, sagte ich, ohne auf den Spott einzugehen, |417| »ich habe Ihren Majestäten gewisse Dienste geleistet, manche in der Verkleidung, in der Ihr mich heute seht.«
»Ich«, sagte Vitry, die eckigen Schultern reckend, »bin immer nur Soldat gewesen.«
»Wer wüßte es nicht?« sagte ich, mich verneigend. »Alle Welt kennt die Tapferkeit eines Monsieur de Vitry, welche ich selbst mit einigem Recht einzuschätzen vermag, denn ich habe unter Monsieur de Rosny in der Schlacht von Ivry gekämpft.«
»So, Ivry!« sagte Vitry, dem der Name ungut in den Ohren klang. »Ja, das war eine heiße Geschichte«, setzte er mit sichtlichem Bedauern hinzu, nicht auf der siegreichen Seite gestanden zu haben.
»Heiß«, sagte ich, »und obwohl sie für den König so glücklich ausging, auch sehr beklagenswert. Denn was mich angeht, so gäbe ich allen Lorbeer, den ich dort gewann, hätte ich nicht mit ansehen müssen, wie Franzosen gegen Franzosen kämpften und der Ausländer sich die Hände rieb.«
»Ha, Siorac!« sagte Vitry, dem mein »Lorbeer« von Ivry sichtlich mehr imponierte als meine medizinischen Verdienste, »da berührt Ihr einen schmerzlichen Punkt. Mir war die Überheblichkeit der Spanier in Paris auch unerträglich.«
»Sie kommt nur derjenigen gleich«, sagte ich, »die jenes Sammelsurium von Tagedieben, genannt die ›Sechzehn‹, an den Tag legt.«
»Oh, die, die gehörten alle gehängt!« meinte wütend Vitry. »Und«, versetzte ich, »was soll man erst dazu sagen, welche Kübel von Beschimpfungen die Pfaffen über den König ausschütten!«
»Alles für Geld«, sagte Vitry in zornigem Ton. »Das ist ja das Schlimme! Ha, glaubt mir, Siorac!« rief er bitter, »in der Partei der Liga fließen die spanischen Dublonen nicht so reichlich, wie man sagt! Und gehen nicht immer an jene, die sich schlagen, sondern an ein paar Hundsfötter, die in einer Stadt gegen den König hetzen, oder an Prediger, die besser die Kunst der Verleumdung verstehen als ihr Latein.«
»Mag sein«, sagte ich, »daß Ihr recht habt, denn ich hörte, daß Monsieur de
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