Paris ist eine Messe wert
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»Trotzdem, Madame, bleibt der gegenwärtige Papst dabei, die Exkommunikation des Königs nicht aufheben zu wollen.«
»Aber er hat es nicht gewagt, die Bischöfe zu exkommunizieren, die ihn in den Schoß der Kirche aufnahmen, weil er die Kirche Frankreichs nicht vor den Kopf stoßen will, zumal jetzt der König die Bischöfe im Reich ernennt. Außerdem, wenn der Papst dem König dauerhaft widerstände, müßte er befürchten, daß eines Tages eine gallikanische Kirche entsteht, die nicht mehr seine erstgeborene Tochter wäre. Der Papst zittert vor Philipp II., das ist der ganze Grund. Und wenn Euer Henri sich gegen Philipp stark genug zeigt, wird er ihn auch anerkennen.«
|410| »Madame«, sagte ich, mich verneigend, »ich bewundere Euren Scharfsinn! Wer behauptet nur immer, daß Frauen keinen politischen Verstand haben?«
»Nur Toren, Monsieur, die selbst keinen Verstand haben! Eine Familie regieren, wie ich es versuche, oder einen Staat, ist das gleiche. Zumindest, wenn es eine hohe Familie im Staat ist.«
»Darf ich, Madame, zugleich mit meinem Urlaub mir die Erlaubnis erbitten, dem König Eure Worte wiederzugeben?«
»Schöne Bitte!« sagte sie lachend, »hätte ich Euch wohl dies alles erzählt, wenn ich nicht dächte, daß es ihm übermittelt wird? Und, Monsieur«, fuhr sie in zugleich hochfahrendem und schalkhaftem Ton fort, »sagt dem König, er soll Euch wenigstens zum Marquis machen: Ich wäre künftighin weniger verlegen, wenn Ihr meine Finger leckt.«
Welches sie, bevor sie mir ihre zehn Finger hinstreckte, durch ein so vergnügtes Blinken in den blauen Augen und ein so entzückendes Lächeln korrigierte, daß sie plötzlich um die Hälfte jünger wirkte und ich vom Aufblühen ihrer Schönheit, das dem glühenden Wunsch zu gefallen entsprang, ebenso geblendet war wie von ihrer politischen Klarsicht. Die freilich in einem Punkt strauchelte, in dem Frauen wohl immer die Vernunft verläßt: der Heirat, die sie für sich oder ihre Söhne erträumen. Denn war es nicht offensichtlich, daß Navarra nicht die geringste Lust hatte, weder Nemours noch dem jungen Guise die Hand seiner Schwester zu geben, hätte er sich mit einem solchen Schwager doch einen Prinzen dieser turbulenten Familie in nächster Nähe zum Thron eingehandelt.
Der Preis für den Sester Weizen in Paris stieg und stieg, weil die guten Leute fürchteten, der Waffenstillstand könnte enden und Krieg und Belagerung wiederkehren. Also hatte ich keine Eile, mein Korn loszuschlagen, zumal meine jeweiligen Lieferungen von Saint-Denis nach der Kapitale unterm schützenden Geleit des Hauptmanns Tronson erfolgten, dessen ligistischer Eifer sich seit der Bekehrung des Königs sehr gelegt hatte. Mitte Dezember indes war alles verkauft, und als ich meine Rechnungen machte, zeigte sich, daß der Erlös für Chêne Rogneux zehntausend Ecus und der für La Surie viertausend Ecus betrug. Diese überbrachte Miroul sogleich den Erben des Vitzdoms |411| in Montfort l’Amaury. Und weil ich hörte, der König habe Not, seinen Schweizern den Sold zu zahlen, sputete ich mich, sobald Monsieur de La Surie zurück war, nach Saint-Denis zu gehen und durch Rosny zu nächtlicher Stunde zu Seiner Majestät vorzudringen, um ihm den Ertrag meines glücklichen Handels zur Leihe anzubieten.
»Sankt Grises Bauch, Graubart!« sagte der König lachend, »du bist mir der Richtige! Anstatt mich um Geld anzuhauen, willst du mir welches borgen! Bist du so reich? Woher hast du die zehntausend Ecus?«
»Von meinem Weizen, Sire. Ich habe mir nur die Mühe gemacht, ihn in Paris zu verkaufen.«
»Gutes Hugenottenblut verleugnet sich nicht!« sagte der König und warf Rosny einen funkelnden Blick zu. »Trotzdem hat der Graubart noch besser gehandelt als Ihr, Rosny. Ihr habt nur dreitausend Ecus für Euer Korn erlöst.«
»Die ich Euch, Sire, gleichfalls zu leihen bereit bin«, sagte Rosny, der an Großzügigkeit hinter niemandem zurückstehen wollte.
»Meine Garden sind bezahlt«, sagte der König, »Monsieur von O hat Geld aufgetrieben. Trotzdem nehme ich Eure Ecus, meine Freunde. Ich brauche sie für eine Mission, die ich dem Graubart anvertrauen will.«
»Warum nicht mir, Sire?« fragte Rosny aufbegehrend.
»Weil sie geheim ist«, sagte der König ungerührt. »Du, mein Rosny, kannst eine ligistische Stadt nicht ohne Lebensgefahr betreten, dazu ist dein schönes, saures Gesicht zu bekannt im Reich.«
»Eine ligistische Stadt, Sire?«
»Meaux. Du weißt, daß Vitry
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