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Paris ist eine Messe wert

Paris ist eine Messe wert

Titel: Paris ist eine Messe wert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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Umstände hätten gedenken können, |50| unter denen ich seinen Vater kennengelernt hatte. Außerdem drängte die Zeit, bald würde es dunkeln, es war nicht die Stunde für Erinnerungen. Vielmehr hieß es beraten, wie man sich am besten verteidigte, wenn Mayenne, der nun Herr von Saint-Symphorien war, die Stadt angreifen würde.
    Ich wohnte dieser Beratung nicht bei, auch Rosny nicht (der Monsieur de Châtillon nicht ganz grün zu sein schien, obwohl sie demselben Herrn dienten), doch stellte sich schnell heraus, was man beschlossen hatte. Denn sobald die Besprechung zwischen dem König, d’Aumont und Châtillon endete, gingen die Arkebusiere des letzteren auf die beiden Inseln in der Loire, teils durch die Furt, teils auf Kähnen, und machten sich unverweilt an deren Befestigung. Dabei entsann ich mich, was Navarra in der Frühe des ersten Mai zu Gerzé gesagt hatte, als wir die Brücke überschritten, um den König aufzusuchen: nämlich, daß man diese Inseln längst hätte besetzen und sichern müssen, weil sie dem Feind bei einer Belagerung der Stadt Tours von unschätzbarem Vorteil wären.
    Mit Rosny bei einfallender Dunkelheit auf der größten und Saint-Symphorien nächstgelegenen dieser Inseln, beobachtete ich voller Bewunderung, mit welcher Kunst, Erfahrung und welch beträchtlicher Mühe sowohl mein Mentor wie auch jene, die er befehligte (und die immerhin schon den ganzen Tag von Chinon her galoppiert waren), daran gingen, ihre Position uneinnehmbar zu machen, indem sie gekrümmte Gräben aushoben, damit Arkebusenfeuer sie nicht bestreichen könne, und Steinblöcke davor packten. Diese holten sie aus nächster Nähe, wo sie lagen, um die Brückenpfeiler vor der Strömung zu schützen, und setzten sie in wohlberechneter Anordnung auf die Aufschüttung der Gräben, indem sie zinnenartige Zwischenräume freiließen, aber nicht lotrecht zum Feind, sondern schräg, so daß sie auf ihn schießen, aber nicht von ihm getroffen werden konnten, selbst wenn er in die Scharte zielte. Ich füge hinzu, Leser, daß sich der einen Schrägstellung in stetem Wechsel eine in entgegengesetzter Richtung anschloß, wodurch das ganze Feld davor gedeckt werden konnte. Diese bewundernswerte List sah ich hier zum erstenmal, und sie gab mir eine Vorstellung von den überragenden kriegerischen Fähigkeiten meiner Hugenotten, die im Verlauf dieses halben Jahrhunderts, in welchem sie immer zwei gegen zehn kämpfen |51| mußten, gelernt hatten, daß Erfindungsgabe und Fleiß eine Überzahl aufwiegen können.
    Der Mond schien in dieser Nacht vom 8. zum 9. Mai voll und hell, der Himmel war wolkenlos, die Nacht lau, und es hatte für mich etwas Unfaßliches, dem Ameisenwerk auf dieser Insel zuzusehen, wo es weder Bäume noch Häuser gab und sich für gewöhnlich, wette ich, nur unbehauste Liebende tummelten.
    Es war so hell, daß man ein Buch hätte lesen können. Deutlich sah man Saint-Symphorien und die feindlichen Wachen am rechten Ufer, die höchstens einen Steinwurf von uns entfernt standen und uns bei unseren Arbeiten zuschauten, ohne zu schießen, dazu hatten sie keinen Befehl. Die einzigen Schüsse, die man dann und wann hörte, kamen aus dem Vorort, wo irgendein unglücklicher Häusler oder Gefangener den Eifer eines ligistischen Hauptmanns oder die Habgier eines Soldaten, der ihn plündern wollte, mit dem Leben bezahlte. Nicht daß es ansonsten still gewesen wäre: Dumpfe Axtschläge gegen Türen kündeten von Plünderungen, gröhlender Gesang betrunkener Soldaten schallte in Fetzen herüber, da und dort brüllte einer in Todesnot, und gellend schrien Frauen.
    Gegen zwei Uhr morgens kam Monsieur de Châtillon auf einem Fährkahn von der anderen Insel herüber und sprach den Soldaten seine Anerkennung für ihre Arbeit aus. Vor seiner Rückkehr sah er mich neben Monsieur de Rosny, der ich ihn barhäuptig grüßte. Sogleich faßte er mich am Arm und zog mich beiseite.
    »Monsieur«, sagte er mit ernster und ein wenig zitternder Stimme, »obwohl ich Euch vorher nie gesehen habe, weiß ich doch auf Grund Eures Namens, wer Ihr seid und daß Ihr Ambroise Paré halft, meinen Vater zu verbinden, nachdem er in jenen feigen Hinterhalt geraten war, kurze Zeit vor der Bartholomäusnacht.«
    »Monsieur de Châtillon«, sagte ich, indem ich im hellen Mondschein sein schönes, schwermütiges Gesicht betrachtete, »es ist mir eine große Ehre, dem Admiral von Coligny beigestanden zu haben, der für mich das edelste Beispiel von Tapferkeit und

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