Paris ist eine Messe wert
ich in meinem abenteuerlichen Leben bisher geraten war, zählten dabei nicht. Mit diesem Tag wurde der Tod alltäglich, und entwischte ich ihm heute, konnte er mich morgen treffen. Aber so schmerzlich der Gedanke |54| mich auch bewegte, diese Welt zu verlassen, die ich so liebte, dieses Leben, das mich begeisterte, und die Menschen, die meinem Herzen teuer waren, fühlte ich doch zugleich die unbedingte Notwendigkeit, die Liga zu schlagen und für Frieden und Gewissensfreiheit zu kämpfen, so daß ich die Möglichkeit meiner persönlichen Auslöschung hinnahm als den Preis, der für diese hohe Wohltat gezahlt werden mußte. Gesammelt in dieser Entschlossenheit, richtete ich ein glühendes Gebet an den Herrn, Er möge uns zu diesem Ziel verhelfen und das Leben der Meinigen und, wenn es Ihm gefalle, auch meines beschützen. Indem ich mein Flehen beendete, kam mir der Gedanke, daß die besten Ligisten – solche, die nicht auf Plünderung und Vergewaltigung auszogen –, zur selben Stunde vielleicht auch ihren Rosenkranz beteten. Ach, es war derselbe Gott, aber nicht dasselbe Gebet, denn in ihrem wütenden und fanatischen Eifer baten diese Unglückseligen den Herrn, durch Feuer und Schwert die Ketzer auszutilgen, während wir darum baten, daß alle Franzosen friedlich miteinander leben und die einen zur Messe, die anderen zum Gottesdienst gehen könnten, ohne daß einer den anderen molestierte.
Ich muß dennoch eingeschlummert sein, denn bei Tagesanbruch rüttelte mich Miroul aus dem Schlaf.
»Der König kommt! Der König kommt!« schrie er mir gellend in die Ohren.
Dasselbe verkündeten da und dort auch die Sergeanten und Wachen, doch hätte dieser Ruf die Arkebusiere kaum aus ihrer tiefen Erschöpfung gerissen, hätte sich zusätzlich nicht eine Gascogner Stimme gemeldet, die ich schon kannte.
» Cap de Diou!
Er bringt Brot und Wein!«
Die Worte »Brot und Wein« erreichten die schlummernden Ohren mit anderer Macht als das Wort »König«. Beim Ochsenhorn, was für ein Tohuwabohu in den Gräben anging! Kettenhemden und Harnische rasselten wie in einer Schmiede, als sich die hohlen Bäuche erhoben, erwartungsvoll schüttelten und einem jeglichen der Speichel im Maul zusammenlief!
Nachdem der König gelandet war, befahl er, besagte gute Dinge von seinem Gefährt abzuladen und sofort gerecht an die fünfhundert Arkebusiere auszuteilen. Währenddessen ließ sich Seine Majestät von Rosny, den ich bei diesem Rundgang über die Insel begleitete, die Befestigungen zeigen, welche die |55| Weißschärpen gebaut hatten, und erklären, warum die Scharten schräg standen und die Gräben gekrümmt waren, worauf der König seine Bewunderung nicht verhehlte.
»Wahrlich, Monsieur de Rosny!« sagte er, »arbeitet Ihr immer so? Eine derart befestigte Position vermag ja kein Feind zu überrennen!«
Rosny verneigte sich tief und so bewegt durch dieses schöne Kompliment, daß er zum Dank keine Silbe hervorbrachte. Obwohl der König in normalem Plauderton gesprochen hatte, flog sein Lob für das hugenottische Werk, kaum ausgesprochen, unter den Soldaten auch schon von Mund zu Mund, und als der König zur anderen Insel übersetzte, wo Châtillon sich befand, erlabten sich die Unseren an der königlichen Anerkennung beinahe ebenso wie an dem Loire-Wein, der durch ihre trockenen Kehlen rann, und dem schönen goldbraunen Weißbrot aus Tours, das sie mit vollen Backen mampften.
»Cap de Diou!«
sagte mein Gascogner, »der König gefällt mir, und ich glaube nicht, daß er ein Feigling ist: sonst wäre er nicht in die vorderste Linie gekommen, um uns zu füttern!«
»Hast recht, Pissebœuf!« sagte sein Gevatter und kaute krachend mit seinem großen Mund.
Dieser Gevatter hieß Poussevent, und ob Pissebœuf und Poussevent nun Namen oder Spitznamen waren 1 , weiß ich bis heute nicht, solange ich sie auch kenne, denn ich war mit ihnen in der Schlacht von Ivry und bei der Belagerung von Paris und lauschte oft ihren spaßigen Reden.
Seinen
spaßigen Reden sollte ich besser sagen, denn es war immer Pissebœuf, lang und hager wie ein gerupfter Stelzenläufer, der sprach, der dicke Poussevent stimmte nur zu mit »kann sein« oder »jaja« oder »hast recht«.
»Es heißt«, fuhr Pissebœuf leise fort, »daß dieser Henricus nicht wie unser Henricus ist und daß er sich nichts aus Weibern macht.«
»So heißt es«, sagte Poussevent.
»Ich schätze«, sagte Pissebœuf, »da läßt er sich was entgehen. Frisch gelegte Eier, frisches Brot
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