Paris ist eine Messe wert
Ratschläge an diesem Tag nicht mehr anwenden. Kaum nämlich hatten wir das Haus verlassen, trafen wir überall in der Stadt, auf Straßen und Plätzen, Schweizer unter Waffen, denn der König hatte sie aus dem Vorort Saint-Pierre-des-Corps abgezogen und nach Tours verlegt. Und auf dem Weg zur Brücke hörten wir Ausrufer von Straße zu Straße gehen und den Einwohnern befehlen, sich in ihren Häusern zu verrammeln, die Läden geschlossen, die Türen versperrt zu halten und bei Todesstrafe die Nase nicht aus dem Fenster zu stecken. Am Torhaus zur Brücke von Tours erblickten wir den König, umgeben von seinen Offizieren, und da er von weitem sah, daß wir Durchlaß verlangten, rief er uns zu sich.
»Geht nicht, Monsieur de Rosny«, sagte er zu meinem Gefährten. »Ich brauche meine guten Diener dringlich hier in der Stadt. Die Einnahme von Saint-Symphorien verhindert Ihr nicht mehr.«
»Es sieht aber so aus, Sire«, sagte Rosny, »als lege Mayenne nur halbe Kraft vor.«
»Das ist Kriegslist«, sagte der König mit einem Blitzen in den italienischen Augen. »Mein Vetter Mayenne ist ein großer Hauptmann, er verschleppt den Kampf absichtlich, damit ich meine Schweizer nach Saint-Symphorien werfe. Wovor mich Gott bewahre, sie gehen mir nicht über die Brücke, und der Feind bleibt draußen. Ich habe heute morgen gleich zum Herzog von Epernon nach Blois und zum König von Navarra nach Chinon geschickt, wir brauchen nur noch auf Verstärkung zu warten.«
Ein Beweis dafür, wie ich später feststellte, als die Karten aufgedeckt wurden, daß mein geliebter Herr die Falle gewittert hatte, die der große Eber ihm stellte, und klug in seinen Mauern blieb, anstatt ihm auf den Leim zu gehen. Und innerhalb der Stadt sorgten seine Schweizer und die Ausrufer dafür, daß kein Ligist sich zu zeigen wagte.
Da nun die Dinge so standen und wir nichts ausrichten konnten, weil uns der Übergang verwehrt war, stiegen wir zu den Jakobinern hinauf, wo man gute Aussicht sowohl auf Saint-Symphorien wie auf die Brücke hatte, und sahen von dort gegen fünf Uhr nachmittags, wie Mayenne an drei verschiedenen |49| Stellen des Vororts so starke Vorstöße machte, daß die Unseren überrannt wurden, die Barrikaden waren gar zu kümmerlich und der Angriff wütend. Im Handumdrehen gaben alle auf, das Gros der Königlichen flutete stadtwärts, und zwar in einem solchen Gewirr und Gedränge vorm Brückentor, daß, wenn der Feind jetzt zwei Kanonen vorgezogen und abwechselnd hineingeschossen hätte, nicht ein einziger entkommen wäre.
Zum Glück tat er es nicht, sei es, daß Mayenne immer noch hoffte, die Schweizer des Königs herauszulocken, sei es, daß die Soldaten schon beim Plündern und Vergewaltigen waren, der Vorort gehörte ja jetzt ihnen. Die Unseren kehrten also im Gänsemarsch durchs Brückentor zurück, worauf man es unverzüglich mit großen Steinquadern verstärkte, ebenso das am anderen Brückenende, auch wurden alle Maßnahmen getroffen, um das Brückengewölbe zu sprengen, sollte der Feind den Übergang versuchen.
Gegen sieben Uhr kamen wir von den Jakobinern herunter, das Scharmützel war inzwischen so erlahmt, daß man nur hin und wieder noch Schüsse hörte. Und wir erreichten das Brückentor, um uns den Befehlen des Königs zu stellen, im selben Moment, als Monsieur de Châtillon mit Navarras Arkebusieren eintraf, seinem Herrn drei Stunden voraus, sagte er. Und nie sah man königliche Katholiken so froh beim Anblick von Hugenotten, noch so des Lobes voll, daß sie sich derart beeilt hatten, Lob, das aus allen Mündern erscholl. Später allerdings, nachdem Navarra sich bekehrt hatte, befanden dieselben Münder unsere Reformierten für unwürdig der Hofämter oder des Heilig-Geist-Ordens, den Monsieur de Rosny zum Beispiel niemals erhielt, auch nicht, als er schon Herzog und Pair von Frankreich war.
So lange Zeit ich bei Navarra auch verbracht hatte, war ich – wer weiß wieso – Monsieur de Châtillon doch nie begegnet, und als ich am Abend dieses achten Mai zum erstenmal seine melancholische Gestalt sah, frappierte mich seine Ähnlichkeit mit dem Admiral von Coligny, seinem Vater, dermaßen, daß es mir, als Rosny mich ihm vorstellte, die Sprache verschlug. Monsieur de Châtillon bemerkte meine Verwirrung, seinem schönen, klaren Gesicht war jedoch nichts anzumerken, als er meinen Namen hörte, und er sagte keinen Ton, denn wir standen zu nahe beim König, als daß wir, ohne Seine Majestät zu verletzen, der tragischen
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