Paris ist eine Messe wert
alles tat, auf meinem einzigen Lehnstuhl Platz, war er doch stets von dem Gefühl beseelt, daß der Herr ihn auserkoren habe, den Menschen seine Gebote mitzuteilen. Was insofern vielleicht nicht falsch war, als Duplessis-Mornay wenigstens in seiner äußeren Hülle ganz der Vorstellung entsprach, die Maler und Bildhauer sich von Moses auf dem Berg Sinai machen: Auch er hatte jene gewaltige Stirn, feurige Augen, mächtige Nüstern und einen so langen und dichten Vollbart, wie der meine nie sein würde, und obendrein schon schlohweiß, obwohl er erst knapp über Vierzig war.
»Monsieur de Siorac«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »noch ist es geheim, aber der König plant den Marsch nach Paris. |181| Bevor er jedoch die Belagerung eröffnen kann, will er alle umliegenden Festungen nehmen, um sämtliche Flüsse und Straßen zu sperren, auf denen Lebensmittel in die Hauptstadt gelangen. Sein Heer ist nur etwa fünfzehntausend Mann stark, weshalb er nicht daran denken kann, die Stadt im Sturm zu erobern, er muß sie durch Aushungern in die Knie zwingen.«
»Monsieur«, sagte ich, mich verneigend, »es ist mir eine hohe Ehre, in diesen Plan eingeweiht zu sein.«
»Der König läßt Euch einweihen«, fuhr Duplessis-Mornay fort, »weil Ihr in dem Plan eine Rolle spielen sollt, die für Euch zugleich sehr gefahrvoll und sehr unerquicklich sein wird, aber, wenn alles glückt, sehr nützlich für den König.«
»Monsieur, ich höre«, sagte ich, und das Herz klopfte mir bis zum Hals.
»Es wird einen Monat dauern«, sagte Duplessis-Mornay, »einen guten Monat vermutlich, bis der König die Festungen rund um die Hauptstadt besetzt und die Schlüssel zu deren Unterhalt in Händen hat. Euch bleibt also genug Zeit, Monsieur de Siorac, Eure Verkleidung zu komplettieren und Euch in Paris einzurichten, bevor die Belagerung beginnt.«
»In Paris?« fragte ich.
»Ihr erhaltet einen Dauerpaß«, fuhr Duplessis-Mornay unbeirrt fort, »damit Ihr durch unsere Linien kommt.«
»Aber«, sagte ich, »wenn ich den König, wie ich annehme, über die Vorgänge während der Belagerung informieren soll, benötige ich auch einen Paß der Liga, um Paris verlassen zu können.«
»Der König«, sagte Duplessis-Mornay, der es selbstverständlich zu finden schien, im Namen Seiner Majestät zu sprechen, sprach er auf großen hugenottischen Versammlungen doch auch im Namen Gottes, »der König meint, Ihr würdet schon einen Weg finden, wie Ihr dazu gelangt.«
»Ich werde darüber nachdenken. Aber, Monsieur Duplessis-Mornay«, fuhr ich fort, »darf ich fragen, warum Ihr meint, daß meine Aufgabe in Paris nicht nur gefährlich, sondern auch sehr unerquicklich sein wird?«
»Wenn keine Lebensmittel mehr in der Stadt eintreffen werden, verhungert Ihr, Monsieur.«
Worauf Monsieur Duplessis-Mornay sich erhob, seinen neuerlichen Besuch für den folgenden Abend ankündigte, um |182| meine Entscheidung einzuholen, sich wiederum mit Hut und Mantel sorglich verkappte, dann aber so majestätisch davonschritt, daß ich dachte, er könnte sich die Mühe der Verhüllung sparen, denn ein geübtes Auge erkannte ihn ohnehin an seinem Gang, denn der war einmalig am Hof.
Ich brauchte nicht bis zum nächsten Abend zu warten. Noch in derselben Nacht – ich hatte Krause und Wams schon abgelegt, um schlafen zu gehen – führte Miroul zwei Herren herein, deren einen ich an seinem Prophetenbart schnell als Duplessis-Mornay erkannte. Doch wie staunte ich, als sich zeigte, daß der andere hinter ihm der König war.
»Ha, Sire!« rief ich und fiel ins Knie. »Ihr erweist mir zu große Ehre!«
»Schon gut, schon gut!« sagte der Béarnaiser, indem er mir die Hand reichte (die, offen gestanden, ein bißchen nach Knoblauch roch). »Nehmt Platz, meine Herren, und Ihr, Siorac, hört zu.«
Und kaum saßen Duplessis-Mornay auf meinem Lehnstuhl und ich auf einem Schemel, begann er so rasch und nervös durchs Zimmer auf und ab zu stapfen, daß der Raum plötzlich zu klein für ihn erschien.
»Sankt Grises Bauch, Siorac!« sagte der König auf einmal, indem er mir seine durchdringenden Augen zuwandte, »hast du einen schönen Bart! Beinahe wie Duplessis-Mornay, bloß daß seiner theologisch ist und deiner abenteuerlich.«
Ich lachte, und Duplessis-Mornay lächelte mit halbem Mund.
»Siorac«, fragte der König, »unter welchem Namen und Stand wollt Ihr in Paris auftreten?«
»Coulondre, Tuchhändler, Sire.«
»Also braucht Ihr eine Kutsche, um Eure Tuche zu
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