Paris ist eine Messe wert
enttäuschten Liebhabers glich, denn so inbrünstig liebte Rosny den König, war nur ich als ziemlich verstörter Zeuge zugegen. Und als Rosny, noch immer kochend vor Zorn, sich mit knappstem Gruß zurückzog, wußte ich nicht, sollte ich ihm folgen oder bleiben. Schließlich blieb ich, denn was ging mich die Unvernunft meines Mentors an? Der König hatte nun einmal das Versprechen abgelegt, in den Städten, die er der Liga abgewann, keinen Hugenotten an die Stelle eines Katholiken einzusetzen, und ein Bruch dieses Versprechens hätte sämtliche royalistischen Edelleute, die zur Messe gingen, gegen ihn aufgebracht und zur Meuterei getrieben.
»Er ist ein Kauz«, sagte der König, als Rosny gegangen war, halb scherzend, halb traurig und stapfte auf seinen kurzen Beinen lautstark durch den Raum. »Aber«, fuhr er fort, »seine Kauzigkeit ist nur äußerlich. Auf das Herz kommt es an. Und das ist Gold. Er kommt wieder. Weil er es gar nicht aushält, daß große Dinge im Reich ohne ihn geschehen. Und Ihr, Siorac«, setzte er hinzu, indem er mir sein langes Gesicht mit der langen Nase und den klugen Augen zuwandte, »was ist mit Euch? |177| Folgt Ihr unserem zürnenden Achill in sein Zelt? Oder wollt Ihr Agamemnon bei der Belagerung von Troja helfen?«
»Ha, Sire!« sagte ich, der ich seine Worte so verstand, daß er Paris aufs neue belagern wollte, »Euch immer, Sire! Mit den Waffen in der Hand!«
»Brav geschmettert, wie Rabelais sagte«, meinte der König lächelnd. »Und gewiß habt Ihr Euch damit schon einiges Verdienst erworben, mein Freund (es war das erstemal, daß er mich so nannte), aber, so tapfer Ihr auch seid, schmeckt Euch das Waffenhandwerk doch weniger, glaube ich.«
»Das ist wahr, Sire«, sagte ich etwas verdattert, daß er mich so gut durchschaute, »ich bin Arzt und heile lieber, als daß ich töte. Im Gefecht ist es mit Leben und Tod wie mit Würfelspielen, während bei meinen geheimen Missionen für den seligen König alles doch eher von meiner Geschicklichkeit abhing.«
»Ah, bah! Alles ist Zufall, da wie dort«, sagte der König, der ein erpichter Spieler war und täglich große Summen gewann oder verlor, was Rosny rasend machte. »Oder glaubt Ihr wirklich, mein Freund, Ihr wäret den verschiedenen Mordanschlägen, durch die man Eure Missionen behinderte, allein durch Geschicklichkeit entronnen?«
Ein Wort, an das ich mich bis heute nur mit Schaudern und Schmerz erinnere. Denn hätte dieser große König nicht ganz soviel auf den Zufall gebaut und mehr auf Vorsicht, wäre nicht auch er, wie mein geliebter Herr, dem Messer eines Mörders zum Opfer gefallen.
»In Wahrheit«, fuhr der König fort, »seid Ihr von Eurem Wesen her kein Kriegsmann. Ihr liebt Verkleidung, Geheimnis, verborgenes Wirken, und nicht den Lorbeer, sondern die Frucht. Daß Ihr Boulogne dem seligen König bewahren konntet, gilt Euch mehr, als Mayennes Standarte erbeutet zu haben.«
»Das ist wahr, Sire«, sagte ich abermals, verblüfft, daß er in mir las wie in einem offenen Buch.
»Mein Freund«, schloß der König, indem er mir mit jener heiteren Wärme auf die Schulter klopfte, die ihm so viele Herzen gewann, »seid gewiß, wenn es soweit ist, mache ich mir Euer spezielles Talent zunutze.«
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|178| SECHSTES KAPITEL
Choisy, der dicke Sekretär von Rosny, hatte den Dingen ein wenig vorgegriffen mit seiner Meldung, daß Mantes kapituliert habe. Das geschah erst am Abend nach der triumphalen Heimkehr meines weisen Mentors Rosny. Wie um sich von der gehabten Jagd zu erholen, erschien der König vor der Stadt, und ohne daß er sie erst siebenmal umrunden mußte wie Josua die Mauern von Jericho, öffnete sie ihm die Tore. Im Vorbeigehen nahm er gleich noch Vernon, ehe er in Mantes Quartier bezog, wohin ich ihm mit wenigen meiner Leute folgte, denn ich hatte meinem Vater seine Männer und Rosny seine Arkebusiere wiedergegeben und nur meinen Miroul, Saint-Ange, Pissebœuf, Poussevent (beide verwundet), den Pagen Nicolas und einen zweiten behalten, den Miroul in Anet rekrutiert hatte und den ich im Gedenken an einen Knecht von Mespech, der zu Sarlat gefallen war, Marsal nannte.
In den vierzehn Tagen, die wir mit dem König in Mantes weilten, fiel es Miroul bald auf, daß ich meinen Bart wachsen ließ. Noch fragte er nicht geradezu nach dem Grund, stichelte mich aber mit wie harmlos hingeworfenen Bemerkungen, ein unruhiges Glimmen im braunen Auge (das blaue blieb kalt), ja, er merkte, da steckte ein Aal unterm Fels,
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