Paris ist eine Messe wert
den er zu gern beim Schwanz packen wollte.
»Moussu«, sagte er einmal, »so alt seid Ihr doch nicht, daß Ihr Euch einen Vollbart stehen laßt! Nicht einmal Euer Herr Vater trägt ihn so lang.«
Ein andermal: »Aber, Moussu! Was sollen die Schönen zu der stacheligen Wolle sagen! Wollt Ihr zum ranzigen Graubart werden, der die Weiblichkeit mit seinem altväterlichen Gestrüpp verschreckt? Womöglich schleicht Ihr künftig um Kirchtüren statt um Unterröcke?«
Oder auch: »Moussu, Euer Bart erinnert mich daran, wie Ihr mit Frau Alizon in Boulogne den Putzmachermeister spieltet. Oder wie wir uns in ihrem Pariser Haus zur Barrikadenzeit versteckten. |179| Beim Ochsenhorn! Ich sehe mich noch mit meiner Augenklappe.«
Wahrhaftig! dachte ich, da brennt er nun vor Neugier und ängstigt sich zugleich, ich könnte ihn bei meinen neuen Missionen wegen seiner verschiedenfarbigen Augen nicht mitnehmen, weil die uns am Tag der Barrikaden verraten hatten (seine Augenklappe war verrutscht, und die Vasselière hatte uns erkannt). Denn daß derlei anstand, daran konnte er ja gleichsam schon mit Fingern rühren, ich konnte ihm nun einmal nichts verheimlichen, sogar meine Zweifel an Angelina nicht.
Um ihn zu beruhigen, ohne doch das Wann, Was und Wie zu enthüllen (das ich selbst noch nicht kannte), antwortete ich ebenso ungefähr, wie er mich angegangen hatte.
»Ja, das war unbedacht von mir«, sagte ich, »für dich, Miroul, wäre die beste Verkleidung sicherlich eine Brille, bei der das eine Glas blau ist.«
Drei, vier Tage darauf besuchte mich der Großprior, in ein mattblaues Seidenwams mit Perlenbesatz gekleidet, den Aprikosensamt der Jugend im Gesicht. Obwohl ein Sohn Frankreichs, umarmte er mich (was Rosny niemals tat, dazu dünkte er sich zu hoch über mir) und gab mir wohl hundert Küsse auf die Wangen, oder vielmehr auf den Bart, freimütig und liebenswürdig wie je. Überhaupt benahm er sich äußerst einnehmend gegen alle am Hof, so daß ihm niemand sein diebisches Wesen verargte, denn bei seiner großen Verschwendungssucht fehlten ihm immer neunundfünfzig Sous zum Ecu, also stahl er, wo er konnte, er soll seine Lakaien sogar auf Raub an den Landstraßen ausgeschickt haben.
»Siorac«, sagte er mit seiner Flötenstimme, »wie bezaubert bin ich, Euch zu sehen, glaubte ich doch, es gehe Euch schlecht, weil Ihr gar nicht mehr am Hof erscheint.«
Wobei er sich mit halber Backe auf einen Schemel hockte, als schaue er nur eben herein.
»Bewahre, Monseigneur«, sagte ich, »mir geht es bestens, von dem Hieb, den ich in der Schlacht von Ivry auf den Kopf bekam, spüre ich nichts mehr.«
»Aber, Siorac!« fuhr er fort, als wollte er sich vor Lachen ausschütten, die Hand artig vor dem hübschen Mund, »wie seht Ihr denn aus! Ihr laßt Euch ja einen Vollbart stehen! Dabei seid Ihr doch kein Greis wie Monsieur Duplessis-Mornay!«
|180| »Ich habe ein Gelübde getan«, sagte ich leicht verlegen, »deshalb gehe ich auch nicht mehr aus dem Haus. Und ich bitte Euch, Monseigneur, erwähnt meinen Bart vor niemandem am Hof, außer vor dem König.«
»Dem König kann ich es also sagen«, versetzte der Großprior, der nicht auf den Kopf gefallen war und Dinge aufs halbe Wort verstand. »Schön«, fuhr er mit einverständigem Lächeln fort, »ich werde es ihm im Vertrauen stecken. Im übrigen, mein lieber Siorac«, setzte er plötzlich ernst hinzu, »hat er mich hergeschickt, weil er wissen will, wie es Euch geht.«
Hiermit erhob er sich, erwiderte meinen Kniefall mit liebenswürdiger Verneigung und enteilte wie der Wind.
»Moussu«, sagte Miroul, kaum daß der schöne, glänzende Vogel entflogen war, »erzählt mir nicht, daß Ihr nicht wüßtet, wohin der Bart Euch führt!«
»Wohin, das weiß ich wirklich nicht, Miroul, aber langsam dämmert mir etwas. Warte nur. Mein Gefühl sagt mir, daß uns bald ein weiterer Abgesandter besuchen wird.«
Und tatsächlich, als es dunkelte, erschien bei mir, den Hut tief in die Stirn gedrückt und das Gesicht im Mantel vergraben, Monsieur Duplessis-Mornay, genannt der Hugenottenpapst, wie ich wohl schon erwähnte, weil er sich einen starken Theologen dünkte und bereits eine dicke Abhandlung über die Eucharistie ausbrütete, die aber erst zehn Jahre später erschien und von den papistischen Theologen verrissen wurde. Ansonsten ein Ehrenmann, der das Ohr des Königs hatte, zumal Rosny noch immer den zürnenden Achill im Zelt spielte.
Monsieur Duplessis-Mornay nahm majestätisch, wie er
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