Paris - Stadt der Sehnsucht
durchgegangen bin, war ich allerdings angenehm überrascht. Wussten Sie, dass die Agentur es sogar geschafft hat, Santenne als Kunden zu gewinnen?“
Damon schüttelte verblüfft den Kopf. Seine eigene Agentur hatte sich um den Auftrag der französischen Firma beworben – und offenbar ausgerechnet gegen Prince verloren! Diese Nachricht verbesserte seine Stimmung nicht. „Wie um alles in der Welt haben sie das angestellt? Sie sind der chaotischste Haufen, der mir je untergekommen ist.“
„Das stimmt – jedenfalls wirtschaftlich und strukturell betrachtet. In Bezug auf ihre Kreativität muss man allerdings den Hut vor ihnen ziehen. Haben Sie das hier schon gesehen?“ Ellens Augen leuchteten, als sie ihm einen Ordner reichte.
Damon öffnete die Akte und blätterte eine bunte Hochglanzkampagne für Sportschuhe durch. Beeindruckt nickte er. „Renne, lebe, atme! Das ist wirklich gut!“
„Sämtliche Entwürfe sind gut, ach, was sage ich – sie sind überragend! Und vor allem originell.“
„Die Kunden lieben uns“, hörte er wieder Pollys Worte. „Wir sind sehr kreativ.“
„Ohne Frage steht die Prince-Werbeagentur kurz vor dem Konkurs. Aber zumindest einer der Mitarbeiter ist brillant“, sprach Ellen aus, was Damon dachte. „Wer ist der Kreativchef?“
„Michael Anderson, und ich habe ihn heute Morgen gefeuert. Diese Ideen stammen nicht von ihm. Der Mann hat nicht einen originellen Gedanken gehabt.“
„Vielleicht Peter Prince selbst?“
Damon zuckte zusammen, als er den Namen hörte. „Er ist in den Fünfzigern.“ Es kostete ihn große Mühe, ruhig weiterzusprechen. „Und er kümmert sich nur um seine Firma, wenn er nichts Besseres zu tun hat. Das dagegen …“ Er schlug mit der Hand auf den Ordner mit der Werbekampagne. „Dies hier ist jung und frisch.“
„Und macht Spaß.“
Spaß! Damon sah plötzlich einen Totenkopf mit gekreuzten Knochen vor sich. Pinkfarbene Strumpfhosen, dachte er. Fische auf dem Schreibtisch und Partystimmung im Büro.
„Auf jeden Fall haben sie eine … interessante Arbeitsmoral“, knurrte er.
„Wenn es also nicht der Kreativdirektor war, wer dann?“ Ellen brütete noch immer über der Werbekampagne. „In finanzieller Hinsicht ist die Firma ein Albtraum, aber das können wir in den Griff bekommen. Wir müssen den Kopf hinter diesen Ideen finden – und dafür sorgen, dass wir ihn nicht wieder verlieren! Haben Sie eine Idee, wer dahinterstecken könnte?“
Damon ging im Geiste die Leute durch, denen er bereits begegnet war. „Nein. Aber ich werde es herausfinden. Ich weiß auch bereits, wen ich fragen muss.“
Polly dehnte ihre verspannten Muskeln und sah auf ihre Computeruhr. Viertel nach sieben. Alle anderen waren bereits nach Hause gegangen.
Nach den letzten Stunden war Polly am Ende ihrer Kräfte. Wenn sie nicht Anrufe von besorgten Kunden entgegengenommen hatte, hatte sie versucht, aufgeregte Kollegen zu beruhigen. Wieder klingelte ihr Telefon.
„Mr Peters!“ Polly ließ sich auf den Boden sinken und kreuzte die Beine. „Ja, es stimmt, dass Mr Anderson unsere Firma verlassen hat. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir qualifiziertere Kollegen haben, die sich um Ihren Auftrag kümmern werden.“ Wie zum Beispiel mich, ergänzte sie im Stillen. „Wir arbeiten daran, und in der nächsten Woche können wir Ihnen die Entwürfe präsentieren … ja … auf jeden Fall … allerhöchste Priorität!“
Nachdem sie aufgelegt hatte, streifte sie ihre Schuhe ab und richtete sich auf einen Abend harter Arbeit ein. Immer wieder schaute sie auf und genoss die Aussicht auf die Stadt.
Einige Zeit später war es ganz dunkel geworden. Zu ihren Füßen funkelte ein Lichtermeer. Der Mond stand über der Themse, und sein silbernes Licht spiegelte sich im Wasser. Polly staunte, dass eine betriebsame Stadt wie London so friedvoll wirken konnte.
Sie ließ ihren Stift sinken, stand auf und ging langsam zu den bodentiefen Fenstern hinüber. Zum ersten Mal seit einer Woche ließ ihre Anspannung nach. Sie drehte sich zu dem Aquarium um, das auf ihrem Schreibtisch stand. Romeo und Julia schwammen munter herum und fühlten sich hier offenbar schon ganz zu Hause.
Polly spürte, wie eine zaghafte Hoffnung in ihr wuchs. Vielleicht, dachte sie, war die Übernahme doch eine gute Sache. Noch immer verabscheute sie Damon Doukakis. Nach allem, was sie heute von ihm gesehen hatte, traute sie ihm allerdings zu, dass er ihre Firma vor dem drohenden Untergang retten
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