Paris - Stadt der Sehnsucht
verteidigen. Auch wenn ich Ihr männliches Dominanzverhalten für einen Charakterfehler halte, hat es bestimmt eine Menge zu Ihrem Erfolg beigetragen.“
„Sie halten Männlichkeit für einen Fehler?“
„Um Himmels willen, nein! Doch nicht Männlichkeit.“ Pollys Finger flogen über die Tastatur. „Ich rede von Ihrem zwanghaften Dominanzverhalten. Sie können sich nicht einmal vorstellen, dass jemand nicht mit Ihnen übereinstimmt und trotzdem etwas Hörenswertes sagen könnte.“
„Ich bin immer offen für neue Ideen!“ Damon merkte, dass er lauter als üblich redete.
„Mag sein. Aber nur, wenn sie von jemandem in einem dunklen Anzug kommen. Seien Sie wenigstens ehrlich: Sie haben mich doch schon nach dem ersten Blick auf meine pinkfarbene Strumpfhose abgeschrieben.“
„Das ist nicht wahr!“
„Ist es wohl! Ich kann mir schon ganz genau vorstellen, wie Sie das Meeting führen werden. Zuerst zeigen Sie Gérard mit ein paar geschickten Sätzen, wie mächtig und erfolgreich Sie sind, dann bestellen Sie eine sündhaft teure Flasche Wein, um Ihren tadellosen Geschmack und Gérards Bedeutung als Kunde zu beweisen. Wenn Sie dann irgendwann mit Ihrer ganzen männlichen Selbstdarstellung fertig sind, bin ich an der Reihe.“
Damon atmete tief ein. „Quatsch; Sie wollen doch nur Streit anfangen. Sie sind wütend auf mich, weil ich Sie geküsst habe.“
Jetzt schaute Polly ihn doch an. Spöttisch hob sie die Brauen. „Warum sollte ich mich darüber ärgern? Sie können gut küssen. Allerdings sollten Sie ein bisschen am Ausklang arbeiten. Für meinen Geschmack war das Ende ein bisschen zu abrupt. Aber immer noch besser als bemüht romantisch.“
Sie hörte sich so sachlich an, als wollte sie ihm nur einen freundlichen Tipp geben. Damon erwartete fast, dass sie ihm anerkennend auf die Schulter klopfte. „So – zurück zu unserem Meeting! Wir sollten sichergehen, dass ich Ihre Regeln verstanden habe. Sie möchten die Kontrolle haben, kein Problem für mich. Ich werde mich zurücklehnen und abwarten, bis Sie mit Ihrer Selbstdarstellung fertig sind.“
Damon versuchte noch immer, ihre nüchterne Reaktion auf seinen Kuss zu verarbeiten. Aus dem Augenwinkel sah er sie an. War es möglich, dass er sie wirklich nicht beeindruckt hatte? Hastig starrte er wieder auf den Computermonitor.
Heute Abend trug Polly einen langen schwarzen Mantel, der ihren Körper vom Hals bis zu den Knöcheln bedeckte und nicht das kleinste Stückchen Haut erkennen ließ. Wieso erregt ihre bloße Anwesenheit mich trotzdem so sehr, dass ich mich kaum konzentrieren kann? fragte Damon sich wütend und fassungslos.
Er ballte die Hände zu Fäusten, um das Bedürfnis zu unterdrücken, Polly mit einem Griff an sich zu ziehen. Diesmal kann ich ihr keinen Vorwurf machen, gestand er sich ehrlich ein. Er hatte seinen Zustand ausnahmslos sich selbst zuzuschreiben.
Um sich abzulenken, schaute er aus dem Fenster, doch das war ein Fehler gewesen. Die Lichter der Stadt funkelten und glitzerten wie eine Hollywoodkulisse, und verliebte Pärchen schlenderten Hand in Hand am Ufer der Seine entlang. Gereizt wandte er sich wieder seinen E-Mails zu.
Trotz allem konnte er stolz auf sich sein! Auch wenn er es sich nicht erklären konnte, reizte Polly ihn mehr als jede andere Frau, der er jemals begegnet war, und doch schaffte er es, sich zu beherrschen.
Sobald der Fahrer in der Nähe des Eiffelturms anhielt, stieg Damon aus.
Polly folgte ihm und blieb in einigem Abstand von ihm stehen. Sie musterte die lange Schlange vor dem Eingang. „Das ist ein merkwürdiger Platz für ein Meeting zum Abendessen. Sind Sie sicher, dass Sie Gérard nicht missverstanden haben?“
Damon betrachtete Pollys Hochsteckfrisur. Erstaunlicherweise hatte sie es geschafft, heute Abend formell zu wirken. Ihre Lippen glänzten in einem diskreten Rosa, die Augen hatte sie nur mit ein wenig Wimperntusche betont.
Offensichtlich hatte sie sich bemüht, seiner Aufforderung nachzukommen, sich elegant zu kleiden. Warum konnte er sich trotzdem nicht entspannen?
„Das Restaurant ist ganz oben. Die Küche ist ausgezeichnet“, erklärte er.
Polly folgte seinem Blick und schaute zum Turm hinauf. Unzählige winzige Lichter ließen die gewaltige Metallkonstruktion vor dem Pariser Sonnenuntergang golden schimmern. „Gérard weiß, wie man ein Mädchen beeindruckt! Oder war das Ihre Idee? Das würde zu Ihnen passen. Oben auf dem Turm können Sie auf alle herunterschauen und sich wie ein
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