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Pariser Bilder

Pariser Bilder

Titel: Pariser Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Jouhandeau
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Schläge, die sie sich versetzten, schienen mörderisch. Würde man zulassen, daß sie einander umbrachten? Zum zweiten Mal behielt der jünger Aussehende die Oberhand. Auf der Brust seines Gegners kniend, renkte er ihm unbarmherzig die Arme aus, und die Qual des Unglücklichen, die aus seinem schmerzverzerrten Gesicht sprach, war so beklemmend, so unerträglich, daß sie uns laute Schreie entriß, Schreie, die nur wir in unserem Wagen Eingeschlossenen vernahmen. Zwei Polizisten, die in der Nähe standen, schauten geflissentlich in eine andere Richtung, und die Fußgänger, die gleichgültig ihres Weges gingen, als sie unser aufgeregtes Betragen sahen, fragten sich wohl, was wir nur hätten.
    Endlich erscheint eine Mißgeburt, ein Spatz, ein schmächtiges bleiches Kerlchen, eine Oblate, eine Art Pierrot, der sich beifallen läßt, den Grund unserer Erregung zu bemerken. Mehr noch, er als erster wagt es, nachdem er das Brot, das er trug, niedergelegt hat, sich zu unseren beiden Berserkern hinabzubeugen. Das sollte ihm schlecht bekommen. Kaum nämlich hat er dieses wie Schlangen verknotete Gliederbündel berührt, als die beiden wie durch einen Zauber versöhnten Feinde mit einem Satz aufspringen und mit einem gemeinsamen Stoß ihn statt ihrer niederstrecken, um ihn im doppelten Ansprung gegen eine Hausecke zu schleudern, wo er sich den Schädel aufschlägt. Das Blut spritzt heraus, und das Hirn kommt nach. Ringsum weiterhin die gleiche Geschäftigkeit der achtlosen Menge; nur ein Friseur, der, um Luf zu schöpfen, unter seiner Ladentür stand, hat wie wir alles mitangesehen. Ein Handtuch um den Hals geschlungen, das weniger weiß ist als sein Gesicht (die Lehre hat Frucht getragen), denkt er nicht daran, den Angreifern nachzusetzen. Sein Interesse gilt nur ihrem Opfer, daß er, unter dem Beistand einer kleinen Maronenverkäuferin, bis in die nächste Apotheke schleif.
    Wir unserseits, wie hätten wir uns des Eindrucks erwehren sollen, es wäre da vor unseren Augen etwas Schlimmes geschehen, eine Art Verbrechen, dessen einzige Zeugen wir wider Willen gewesen wären und dem wir untätig zugesehen hätten. In der Rückschau kam uns die Lähmung, die uns befallen hatte, nicht weniger unheimlich vor als die Blindheit der übrigen, und die Verkettung der Ereignisse erschien uns wie eine Mittäterschaf und Beihilfe, die verhängnisvollerweise zu Pierrots sinnlosem Opfer geführt hatten. Als die A.‘s wieder im Wagen saßen, kam unser Fahrzeug des dichten Verkehrs wegen nur langsam von der Stelle, Wir hatten kaum fünfundert Meter zurückgelegt, als ich unsere beiden Kumpane wieder erblickte, wie sie Arm in Arm die Straße überquerten, um einen Ausschank zu betreten: grinsend und wie betrunken von dem Ruhm, sich wieder einmal straflos über die allgemeine Feigheit der Menschen lustig gemacht zu haben. Nach den vorgetäuschten Schlägen traktierten sie einander nun mit erkünstelten Liebkosungen, während der arme unschuldige Teufel, den sie so ungerecht zerwalkt hatten, der einzige, der Mut bewiesen hatte und der nur eben ausgegangen war, um Brot für seine Abendmahlzeit einzukaufen, weil er sie ernst genommen, weil er sich unbehutsamerweise in ander Leuts Angelegenheiten gemischt hatte, Gefahr lief, niemals nach Hause zurückzukehren.

    Im Kaufaus

    Da die Zeit drängt und ich zur festgesetzten Stunde in meiner Klasse sein möchte, stoße ich, als ich das Kaufaus am Rathaus verlasse, wohin ich Veronique begleitet hatte, im Ausgang gegen ein Paar, das hereindrängt; nur mein Ellbogen streif den Trampel, der sich gleich beleidigt stellt: »Man rempelt doch die Leute nicht so an!« Ich entschuldige mich. Ihr Begleiter in Mütze und Overall, an dessen Arm sie hängt, gibt sich damit nicht zufrieden, er »sucht Streit«, wie man sagt, droht, mir mit der Hand ins Gesicht zu fahren, mir die Visage zu beschädigen. Ich folgere daraus, daß die Anmaßung eines gewissen Gesindels die ihrer angeblichen Unterdrücker an Widerwärtigkeit um ein Erhebliches übertrif.

    Ungleiches Paar in der Metro

    In der Metro beobachte ich ein seltsames Paar. Die Kleine, höchstens siebzehnjährig, reicht ihrem Begleiter nicht einmal bis an die Schulter. Man merkt, sie kennen sich noch kaum, aber sie werden sich bald irgendwo kennenlernen, sie die Unbefangenheit selber, er um so verlegener. Sie tut ihren Gang wie ein Lämmlein, das zur Schlachtbank geführt wird, oder wie eine Spülmagd sich an ihr Geschirr macht. Er aber, ein kräfiger, blutvoller

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