Pariser Bilder
Bursche, der aussieht wie ein Metzgergeselle auf Urlaub, ist verwirrt. Für diesmal scheint das Opfer, das sich ihm ausliefert, Erbarmen oder Furcht in ihm zu wecken. Seine Lippe und seine Hände zittern. Sein Blick weicht ihr aus, und dies um so mehr, mit je größerer Hingabe und Vertrauensseligkeit sie ihn sucht.
Im Gebrauch merkt man den Unterschied
Eine Hausmeisterin in unserer Nachbarschaf hat zum andernmal geheiratet. Der zweite Mann ist so sehr der Doppelgänger des ersten, daß ich ihn immer noch für den nämlichen hielt. Ich war einfältig genug, der guten Frau meinen Irrtum einzugestehen. »Oh! Monsieur«, erwiderte sie, »wenn Sie wie ich mit beiden geschlafen hätten, wüßten Sie gleich, mit wem Sie es zu tun haben. Im Gebrauch merkt man den Unterschied.« Ohne jedes Lächeln.
Und ein wenig später: »Zwei Menschen mögen sich noch so sehr gleichen. Man sagt: beinahe er. Aber er war er. Es gibt nicht zwei Selbste. Der zweite ist ein anderer.«
Die Hexe
In der Nähe des Marsfeldes leistet eine in ihrem Haus belagerte Frau der Polizei, die sie verhafen kommt, eine halbe Stunde lang Widerstand. Endlich, hochgewachsen, hager, ganz in Schwarz gekleidet, erscheint sie auf der Schwelle: »Jetzt bin ich es, die euch abführt«, spricht sie, und wie eine Kaiserin, inmitten ihrer Garde, geht sie voran. Das Kommissariat liegt in einiger Entfernung. Unterwegs dorthin, bald auf der Stelle tretend, bald laufend, findet sie Zeit, Geschwindigkeit und Haltung hundertmal zu wechseln; erst setzt es Beschimpfungen: »Flegel, Feiglinge, Dummköpfe«, dann folgen Entschuldigungen: »Achten Sie nicht darauf, das muß heraus, aber ich glaube, Sie haben sehr recht daran getan, daß Sie gekommen sind, um mich zu holen. Wenn man wie ich ist, braucht man jemanden, der einen bewacht …« Sie unterbricht sich: »Einen Engel etwa?« Beiseite: »Das sind mir schöne Engel.« Dann, sich besinnend: »Ich, Sie um Verzeihung bitten, wen denn? für was denn?«
Auf der Polizeistation angelangt, stürzt sie mit gesenktem Kopf in den Korridor hinein und rennt mit solcher Wucht gegen die Mauer, daß man sie leblos, zerschmettert aufliest.
Den gleichen Abend noch ziehe ich in der Umgebung ihres Hauses Erkundigungen ein. – »Ja, wenn Sie es denn ganz genau wissen wollen, Monsieur«, vertraut mir ihre Hausmeisterin an: »Die Katzen wollten ihr Verderben, die Katzen haben sich gerächt.« – »Welche Katzen? Gerächt wofür?« – »Die der Nachbarn, wer denn sonst. Die meinige, die sie als erste zu sich gelockt hat und die ich niemals wiedergesehen habe, die Ärmste. Keiner weiß, warum sie ihnen seit zwei Jahren den Krieg erklärt hatte, der ganzen Rasse. Sollten sie gekocht und verspeist werden, oder, mein Gott, was wollte sie bloß mit ihnen anstellen? Katzen, ich bitte Sie! So viel jedenfalls steht fest, sie allein ist schuld daran, daß es im ganzen Viertel auf einen Kilometer im Umkreis keine einzige Katze mehr gibt. Sie muß sie doch zu etwas gebraucht haben, und gewiß zu nichts Gutem. Wenn Sie meine Meinung wissen wollen, Monsieur (sobald ich das gewittert habe, bin ich ihr aus dem Weg gegangen): sie war eine Hexe.«
Ficelle
Ficelle. – Ficelle, kleiner Strick, nannte man ihn in seinem Viertel, weil er, gerissen wie er war, am Tage seiner Erstkommunion die goldene Uhr, die seine Patin ihm geschenkt hatte, an einer dicken Schnur befestigt hatte, die man auf seinem schönen Anzug gewahrte, in der zuversichtlichen Hoffnung, sie werde ihm noch vor Abend eine passende Kette dazu schenken. Was denn auch geschah.
Später, als stattlicher Bursche und Fuhrmann, den man für den Tag mietete, hatte er eine häßliche und reiche alte Jungfer der Nachbarschaf so verrückt auf sich gemacht, daß diese, da sie kein anderes Mittel der Annäherung sah, mit der Zeit seine beste und zuletzt seine einzige Kundin wurde.
Sie mietete ihn mitsamt Kalesche und Pferd für den ganzen Tag, und los ging’s, wobei sie sich im übrigen damit begnügte, neben ihm auf dem Bock zu sitzen, ohne ihn während der ganzen Spazierfahrt auch nur ein einziges Mal anzureden, und er sprach auch kein Sterbenswörtchen, bis sie wieder zu Hause waren. Da ihm das schließlich langweilig wurde, sagte er zu seiner Frau: »Willst du dich nicht in den Wagen setzen?« Und so fuhren sie zu dreien durch das Viertel, einmal vom Marais zum Etoile, ein andermal vom Etoile zur Porte d’Italie.
Dies währe so lange, als die alte Milou (so hieß sie nämlich) noch Geld
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