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Pariser Bilder

Pariser Bilder

Titel: Pariser Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Jouhandeau
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sammelt, die er mit Sorgfalt, mit einer Art von Kult behandelt. Man sieht dort Bruchstücke von Puppen, von Statuen, Grabdenkmälern oder Altären, man sieht Architrave, Säulen jeder Ordnung, Sammlungen von Fastnachtsmasken, von Perücken, historischen Kostümen, golddurchwirkte Stoffetzen oder Fahnen aus fernen Ländern und solche, die man auf den jüngsten Schlachtfeldern aufgelesen hat. Hier und dort alte Sträuße künstlicher Blumen und Musterstücke kostbarer Mineralien in der Nachbarschaf von allerlei Gerippen. Macht es die Anhäufung, oder ist es eine Wirkung der Kunst, mit der diese Gegenstände aufgestellt sind, jedenfalls üben sie eine verwirrende, eine magische Wirkung aus, all diese Beweisstücke, diese Zeugen, diese vereinzelten Urkunden, diese Trümmer des Dramas, das »Leben« heißt: als ob man sie hier nach Jahrtausenden wiederfände, nachdem die Erinnerung an den Menschen und an die Erde seit langem erloschen wäre.
    Zwischen lauter Porzellanköpfen jeder Größe zum Beispiel dienen die beiden lebensgroßen nackten und abgezehrten Beine eines Kruzifixus aus Gips auf die unerwartetste Weise zu einem Blumenständer für Wasserrosen aus Spitzen, die in griechischen Tüll gefaßt sind. Hier und dort hängen von der Decke Girandolen aus elektrischen Birnen in allen Farben, dazwischen Rosenkränze aus Lapislazuli, Trauben kostbarer Kristalle von einem venezianischen Lüster; aber all diese Gegenstände an sich selbst sind noch gar nichts im Vergleich zu dem, was sie in der Photographie hergeben. Dann erst offenbaren sie ihren vollen Sinn, ihre Sinnlosigkeit, geben sie einen unvergleichlichen Ton des Aberwitzigen von sich.
    H. malt ganz natürlich in dieser Umgebung. Eingestandenermaßen hat ihm für eines seiner Bilder eine jener Holzoder Wachsbüsten als Modell gedient, die man »Sympherosen« nennt, und wie man sie früher bei den Modistinnen oder in Haubengeschäfen sah, aber bei ihm lächelt diese Puppe wunderbarerweise wie eine Erinnye, die im Begriff steht, sich in eine Eumenide zu verwandeln.
    Aus Zurückhaltung vermutlich setzt H. seine Farben auf einen Kartongrund, was auf den ersten Blick das Fade und Matte seiner Gesichter oder Landschafen noch erhöht; enttäuscht will man sich schon abwenden, als da und dort so etwas wie ein Feuerwerk sich entzündet, dann ein zweites und nach und nach vermehren sie sich, je länger man hinschaut, derart, daß, was einem anfangs stumpf erschienen war, bald wie Perlmutter schillert und die Augen zum Blinzeln nötigt.
    Wo man eine Eule zu sehen glaubte, regt sich schimmernd ein Paradiesvogel. Unter den Lumpen eines fahlen jungen Mannes entdeckt man die Verfeinerung des Märchenprinzen, den Oscar Wilde im Phosphorschein einer Gewitternacht suchte.

    Nach Kanada

    Als ich mich dem Louvre näherte, dessen Hof ich durchqueren mußte, um mich zu Richard Anacreon zu begeben, sah ich ein schwerbestimmbares Wesen vor mir aufauchen: ein Schreckgespenst wie ein riesiger Fächer. Schließlich erkannte ich unter ihrem Pelzmantel, der aus Karakul, Feh, Opossum, Astrachan, Fischotter zusammen gestückt war, eine Frau. Wie wir Seite an Seite sind, wende ich mich ihr zu. Das Gesicht saß wie im Zentrum des Gerüstes ihrer Person, das aus einem Gebirge von Paketen bestand, die sich auf ihrem Rücken türmten oder an ihren Armen baumelten. Ich faßte mir ein Herz und rief ihr zu: »Wohin geht’s denn, Madame, so schwer bepackt?«
    Ich bin ein großer Verehrer der Clochards. Eine Säuferstimme antwortet: »Nach Kanada.« »Ach, ich verstehe, deshalb die Pelze.«
    Sie: »Aber so eilig hab ich’s auch wieder nicht, Monsieur. Wenn es Sie lockt – ich weiß da ganz in der Nähe ein Hotel, wo ich einund ausgehe.« »Zu gütig, Madame, aber ich reise nicht nach Kanada; da darf ich es wohl ein wenig eilig haben, nicht wahr?« Sie, keineswegs verstimmt, kommt wieder auf ihr Tema: »Glauben Sie, daß man da drüben glücklich ist?« »Warum nicht? Man ist überall glücklich. Man muß es nur sein wollen oder glauben, man sei es.« »Sie haben recht. Ich bleibe hier.« Und schon ist sie auf und davon.

    Nachbemerkung

    Der erste Teil der hier vereinigten Prosastücke von Marcel Jouhandeau (geb. 888) wurde aus der Sammlung Images de Paris (934), der zweite aus den Nouvelles Images de Paris (956) ausgewählt. Die Auswahl umfaßt etwa die Hälfe der ursprünglichen Texte; wobei die der zweiten Sammlung angehängten selbständigen Remarques sur les Visages unberücksichtigt

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