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Pariser Bilder

Pariser Bilder

Titel: Pariser Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Jouhandeau
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Kaninchen

    Von meinem Fenster aus sehe ich die Vögel meiner Hausmeisterin in ihrem goldenen Käfig. Das weiße Kaninchen, das ein Nachbar im Parterre aufzieht und frei im Hof herumlaufen läßt, bewundert sie den ganzen Tag lang. Den ganzen Tag lang betrachtet es sie und lauscht ihrem Gesang; wie in Verzückung sitzt es da und läßt die beiden Vorderpfoten artig nebeneinander hängen. Es kommt sich als ihr Wächter vor; aber es bewacht sie in der Tat. Kaum will eine Katze sich dem Zauberkästchen nähern, das da voller Wohllaut glitzt und schimmert, so stürzt das weiße Kaninchen, wie ein Cherub an der Himmelspforte, sich ihr entgegen, um seine Götter zu verteidigen. Er stampf mit den Füßen, speit Feuer und Flammen. Zuerst setzt es Maulschellen, dann aber sind die Katzen so verblüf von dem Mut eines so vollkommen wehrlosen Wesens, daß sie sich zurückziehen, als nötige seine Kühnheit ihnen Respekt ab.

    Die Katze und die Fische

    Im ersten Stock eines Vororthauses, in einem Armeleutefenster, sitzt zwischen Geranientöpfen und zwei gerafen Damastvorhängen, eine weiße Katze; sie weicht nicht von der Stelle, und unablässig betrachtet sie mit starren Blicken, zusammengekrausten Nüstern, das rosige Schnäuzchen hochgereckt, eine riesige Kugel, in der von morgens früh bis abends spät ein paar Goldfische über ihr schwimmen. Das Ganze wiegt sich an einem morschen Bindfaden, der mit einem rostigen Nagel in einem wurmzerfressenen Brett befestigt ist. Ob die Katze das weiß? Sie sieht ganz so aus, als warte sie den lieben langen Tag nur darauf, daß der Himmel einstürzt, um ihre Götter verschmausen zu können.

    Balkon

    Die Großmutter sitzt in Rot rechter Hand auf dem Balkon, ein Buch in der Hand; die Mutter linker Hand in einem weißen Kamisol wendet ihr den Rücken zu: sie bügelt. Die Kinder laufen von einer zu andern, die beide so tun, als waren sie Luf. Jetzt stellen die Kinder sich, als weinten sie, und sie werden noch etwas anrichten, nur damit man endlich von ihnen Notiz nimmt.

    Passanten

    Ein Mann stolziert einher, die Hände auf dem Rükken verschränkt, den er mit seinem Regenschirm steif. Er hat seine sämtlichen Töchter verheiratet und lächelt, ohne sich ihretwegen Sorgen zu machen, seinem Gedanken zu, der rückwärts vor ihm wandelt.

    Eine Frau macht so große, so regelmäßige Schritte, wobei sie Oberkörper und Kopf, wie die Reiter tun, leicht im Gegentakt zurückschaukeln läßt, daß ihre viel zu langen Beine aussehen, als gehörten sie ihr nicht, als säße sie auf einem Zelter, der unter ihrem Mantel verborgen wäre.

    Worüber triumphiert diese bei jedem Schritt, die in kurzem Rock und altmodischen Stiefeln daherkommt? Der Mantel mag gut zehn Jahre alt sein, mit seinen nahtlosen Flügelärmeln, die die Arme bedecken. Der Spitzenschleier über der Stirne ist beliebig, aber die Kopfaltung ist außerordentlich, und es ist unmöglich, sich mit mehr Eifersucht, Autorität und Stolz auf das Nichts zu stützen, auf den Arm eines Sohnes nämlich, den sie dahin gebracht hat, nur durch sie und für sie zu existieren.

    Er geht vor mir her, so leicht aber, daß er nicht geht, er tanzt, als zaudre er einen Augenblick jedes Mal, wenn einer seiner Füße am weitesten vom Boden ent-

    fernt ist, als ginge er mit sich zu Rate und verzichtete dann doch darauf, davonzufliegen.

    Jeden Tag begegnet mir auf dem Brückensteg von Passy eine Frau mit einer verdrossenen Miene, und regelmäßig schneide ich eine Fratze, die ihr gleicht, und langsam Tag für Tag verbessert sie ihr Gesicht ein wenig, um meiner Fratze nicht zu gleichen.

    Rue de l’Annonciation blickt eine Jungfrau, die noch ganz durchtränkt ist von der Messe, der sie soeben beigewohnt hat, einen flehentlich an, ihrem Verlangen nicht nachzugeben, als wäre dies die Stunde der Vergewaltigung.

    Prozession

    Nach dem Abendgottesdienst wandelt Pelagie über den Boulevard, unter ihrem Hut, der über ihr ausgespannt ist wie ein seidener Baldachin; eine große Moireeschleife im Nacken. Dürfiger Stolz der Handschuhe, die ihr bis unter die Arme reichen, ohne doch vergessen zu machen, daß es an Stoff für die Ärmel gefehlt hat. Ringsum ein Geläute von Ketten und Klunkern. Ihr Kreuz aus falschen Rubinen blendet nur sie allein. Wo sie wohl hingehen mag? Ihr Schritt ist weder eilig noch langsam. Keine Überraschung, keine Enttäuschung erwarten sie; sie ist ganz im gegenwärtigen Augenblick, glücklich nur über ihr Kleid, das leise Rauschen und

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