Parker Pyne ermittelt
blauen Augen bekommen, aber nicht andersherum. Das ist wissenschaftlich bewiesen, vertrauen Sie mir.«
»Ich finde Sie einfach wundervoll!«, sagte Muriel King.
Eine Perle von Wert
D ie Gruppe hatte einen langen und anstrengenden Tag hinter sich. Sie waren am frühen Morgen von Amman aus aufgebrochen, und das Thermometer zeigte bereits knapp siebenunddreißig Grad im Schatten. Sie erreichten ihr Lager, als die Sonne gerade unterging, und damit auch das Zentrum der Stadt Petra, die aus fantastischem und fast unnatürlich rotem Stein gebaut war.
Sie waren zu siebt: Mr Caleb P. Blundell, der korpulente und wohlhabende amerikanische Großindustrielle; sein dunkelhäutiger, gut aussehender, wenn auch ein wenig schweigsamer Sekretär, Jim Hurst; Sir Donald Marvel, Mitglied des Parlaments, ein müde wirkender, englischer Politiker; Doktor Carver, ein weltberühmter und recht betagter Archäologe; ein galanter Franzose, Colonel Dubosc, der seinen Urlaub von Syrien aus angetreten hatte. Ein Mr Parker Pyne, dessen beruflicher Hintergrund nicht so klar zu erkennen war und der die typisch gediegene Haltung eines Briten aufwies. Und zuletzt war da noch Miss Carol Blundell – hübsch, verwöhnt und ziemlich von sich selbst eingenommen, da sie die einzige Frau unter diesem halben Dutzend Männer war.
Sie dinierten im großen Zelt, nachdem sie ihre Übernachtungsplätze in Zelten oder Höhlen ausgewählt hatten. Sie sprachen über die Politik im Nahen Osten – der Engländer mit Bedacht, der Franzose auf diskrete Art und Weise, der Amerikaner ein wenig albern, und der Archäologe und Mr Parker Pyne enthielten sich jeder Meinung. Beide schienen die Rolle des Zuhörers zu bevorzugen. Das traf auch auf Jim Hurst zu.
Dann sprachen sie über die Stadt, die sie besuchten.
»Es ist so romantisch hier, ich kann es kaum fassen«, sagte Carol. »Wenn man bedenkt, dass diese – wie nennen Sie die noch – Nabatäer hier vor so langer Zeit gelebt haben, fast vor Anbeginn der Zeit!«
»Das wohl kaum«, sagte Mr Parker Pyne freundlich. »Nicht wahr, Doktor Carver?«
»Oh, diese Sache reicht doch gerade mal zweitausend Jahre zurück, und wenn Halsabschneider romantisch sind, dann nehme ich an, dass die Nabatäer auch dazu zählten. Sie waren ein Haufen reicher Schurken, möchte ich hinzufügen, die Reisende dazu zwangen, nur ihre Karawanenstraßen zu nutzen, und dafür sorgten, dass alle anderen unsicher waren. Petra war einfach nur das Lagerhaus für die Gewinne aus ihren Gaunereien.«
»Sie halten sie einfach nur für Räuber?«, fragte Carol. »Für gemeine Diebe?«
»Dieb ist ein wenig romantischer Begriff, Miss Blundell. Ein Dieb bezeichnet einen unbedeutenden Langfinger. Ein Räuber arbeitet in ganz anderen Dimensionen.«
»Wie wäre es mit einem neuzeitlichen Bankier?«, schlug Mr Parker Pyne mit einem Funkeln in den Augen vor.
»Das ist was für dich, Papa!«, sagte Carol.
»Ein Mann, der Geld verdient, leistet der Menschheit einen Dienst«, sagte Mr Blundell geschwollen.
»Die Menschheit«, murmelte Mr Parker Pyne, »ist so undankbar.«
»Was ist Ehrlichkeit?«, warf der Franzose ein. »Es ist nur eine nuance, eine Vereinbarung. Sie bedeutet in verschiedenen Ländern verschiedene Dinge. Ein Araber schämt sich nicht zu stehlen. Er schämt sich auch nicht zu lügen. Für ihn geht es nur darum, von wem er stiehlt oder wen er anlügt.«
»Das ist der entscheidende Punkt – richtig«, stimmte ihm Carver bei.
»Was die Überlegenheit des Westens gegenüber dem Osten beweist«, sagte Blundell. »Wenn diese armen Kerle erst mal vernünftige Bildung – «
Sir Donald mischte sich gelangweilt in das Gespräch ein. »Bildung ist ziemlicher Blödsinn, finden Sie nicht? Man bringt einer Menge Leute nur sinnlose Dinge bei. Und ich meine, dass es nichts an dem ändert, was man ist.«
»Was meinen Sie damit?«
»Nun, was ich damit sagen will, ist, um nur ein Beispiel zu nennen: einmal ein Dieb, immer ein Dieb.«
Für einen Augenblick herrschte Totenstille. Dann begann Carol fieberhaft über Moskitos zu sprechen, und ihr Vater unterstützte sie dabei.
Sir Donald war ein wenig verwirrt und murmelte zu seinem Nachbarn, Mr Parker Pyne: »Da bin ich wohl in ein Fettnäpfchen getreten, hm?«
»Merkwürdig«, sagte Mr Parker Pyne.
Wenn ein peinlicher Moment entstanden war, so hatte eine Person ihn auf jeden Fall nicht mitbekommen. Der Archäologe hatte einfach dagesessen und mit einem verträumten und geistesabwesenden Blick
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