Parker Pyne ermittelt
anderen Punkt betonen wollte.
Er sprach über London, über den Gesellschaftsklatsch, über berühmte Männer und Frauen, von neuen Restaurants und neuen Nachtclubs, von Rennen und Jagdgesellschaften und Skandalen auf dem Lande. Er sprach über Kleidung, die Mode in Paris und von den kleinen Läden in den nicht so edlen Straßen, wo man Schnäppchen machen konnte.
Er beschrieb die Theater und Kinos, die neuesten Filme, die Entstehung neuer, grüner Vororte, er sprach über Blumenzwiebeln und das Gärtnern. Und schließlich beschrieb er London, wie es am Abend ist, mit den Zügen und Bussen und den Massen, die nach dem Arbeitstag nach Hause eilen, in ihre kleinen Häuser, die sie erwarteten. Er beschrieb das merkwürdige, vertraute Muster des englischen Familienlebens.
Er bot eine äußerst bemerkenswerte Darstellung, denn sie bezeugte nicht nur einen ungewöhnlichen Reichtum an Kenntnissen selbst bei ungewöhnlichen Themen, sondern ordnete die Tatsachen auch auf geschickte Weise an. Lady Esther ließ den Kopf hängen, und ihre arrogante Haltung hatte sich in Luft aufgelöst. Eine Zeit lang weinte sie still, doch als er seinen Vortrag beendet hatte, gab sie ihre Maske auf und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Mr Parker Pyne sagte nichts. Er saß einfach da und sah sie an. Sein Gesichtsausdruck vermittelte das Gefühl der Zufriedenheit, die ein Mann empfand, wenn er ein Experiment durchgeführt und mit dem erwarteten Ergebnis abgeschlossen hatte.
Endlich hob sie wieder ihren Kopf. »Nun«, sagte sie verbittert, »sind Sie zufrieden?«
»Ich denke schon – jetzt.«
»Wie soll ich es bloß ertragen; wie soll ich es bloß ertragen? Hier niemals wegzukommen, niemals wieder jemanden zu sehen!« Ihr Schrei schien sich seinen Weg aus ihrem tiefsten Inneren bahnen zu müssen. Sie riss sich wieder zusammen und errötete. »Nun?«, verlangte sie wütend zu wissen. »Werden Sie jetzt nicht das Übliche sagen? Werden Sie etwa nicht sagen, ›wenn Sie so sehr nach Hause wollen, warum gehen Sie dann nicht?‹«
»Nein.« Mr Parker Pyne schüttelte den Kopf. »Das ist für Sie nicht so einfach.«
Zum ersten Mal war Angst in ihrem Blick zu erkennen. »Wissen Sie, warum ich nicht gehen kann?«
»Ich denke schon.«
»Falsch.« Sie schüttelte den Kopf. »Den Grund, warum ich hier nicht weg kann, werden Sie niemals erraten.«
»Ich rate nicht«, sagte Mr Parker Pyne. »Ich beobachte – und teile in Kategorien ein.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sie wissen überhaupt nichts.«
»Ich werde Sie offensichtlich überzeugen müssen«, meinte Mr Parker Pyne in einem freundlichen Ton. »Als Sie hierherkamen, Lady Esther, flogen sie mit dem neuen französischen Flugdienst von Bagdad aus.«
»Ja und?«
»Sie wurden von einem jungen Piloten geflogen, Monsieur Rousseau, der Sie anschließend aufsuchte.«
»Ja.«
Es war ein anderes ›Ja‹, das sich nicht beschreiben ließ – ein weicheres ›Ja.‹
»Und Sie hatten eine Freundin oder Begleiterin, die – gestorben ist.« Eine Stimme, die nun hart wie Stahl war – kalt, beleidigend.
»Meine Begleiterin.«
»Ihr Name war –?«
»Muriel King.«
»Haben Sie sie gemocht?«
»Was meinen Sie damit, ›gemocht?‹« Sie hielt inne und riss sich zusammen. »Sie war mir nützlich.«
Sie sagte es in einem überheblichen Ton, und Mr Parker Pyne erinnerte sich an die Aussage des Konsuls: »Man merkt schnell, dass sie ganz schön was hermacht, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Haben Sie es bedauert, dass sie gestorben ist?«
»Ich – natürlich! Wirklich, Mr Pyne, ist es wirklich notwendig, dass wir uns darüber unterhalten?« Sie war nun offensichtlich wütend und sprach weiter, ohne seine Antwort abzuwarten: »Es war sehr freundlich von Ihnen, mich zu besuchen. Aber ich bin ein wenig müde. Wenn Sie mir noch sagen könnten, was ich Ihnen schulde -?«
Aber Mr Parker Pyne bewegte sich nicht von der Stelle. Er ließ sich auch nicht anmerken, ob er beleidigt sei. Er fuhr einfach in aller Ruhe mit seinen Fragen fort. »Seit ihrem Tod hat Monsieur Rousseau Sie nicht mehr aufgesucht. Wenn er Sie aufsuchen wollte, würden Sie ihn dann empfangen?«
»Auf gar keinen Fall.«
»Sie verweigern dies?«
»Unbedingt. Monsieur Rousseau wird nicht eingelassen.«
»Genau«, meinte Mr Parker Pyne nachdenklich. »Etwas anderes könnten Sie auch nicht sagen.«
Die schützende Wirkung ihrer Arroganz schien langsam nachzulassen. Sie sagte unsicher: »Ich – ich verstehe nicht, wovon Sie
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