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Parker Pyne ermittelt

Parker Pyne ermittelt

Titel: Parker Pyne ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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vor sich hin gestarrt. Als das Gespräch für einen Moment stockte, redete er plötzlich drauflos.
    »Wissen Sie«, sagte er, »ich pflichte Ihnen bei – zumindest, was die gegensätzliche Position angeht. Ein Mensch ist grundsätzlich ehrlich, oder er ist es nicht. Davon kommt man nicht los.«
    »Sie glauben also nicht, dass zum Beispiel eine unerwartete Versuchung einen ehrlichen Menschen zu einem Verbrecher machen kann?«, fragte Mr Parker Pyne.
    »Unmöglich!«, sagte Carver.
    Mr Parker Pyne schüttelte langsam den Kopf. »Ich würde nicht unmöglich sagen. Verstehen Sie, es müssen so viele Faktoren mit einberechnet werden. Etwa die Belastungsgrenze.«
    »Was verstehen Sie unter Belastungsgrenze?«, fragte der junge Hurst, der sich zum ersten Mal zu Wort meldete. Seine Stimme war sehr tief und äußerst angenehm.
    »Das Gehirn kann nur einen bestimmten Druck ertragen. Der Anlass, der die Krise auslöst – einen ehrlichen Menschen in einen unehrlichen zu verwandeln –, kann eine absolute Kleinigkeit sein. Daher sind die meisten Verbrechen auch so absurd. In neun von zehn Fällen ist der Grund dieses kleine bisschen Zuviel – der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.«
    »Sie sprechen hier über Psychologie, mein Freund«, sagte der Franzose.
    »Wenn ein Verbrecher auch Psychologe wäre, was hätten wir dann für einen Verbrecher vor uns!«, sagte Mr Parker Pyne. Seine Stimme verriet, dass er mit Freuden bei diesem Gedankenspiel verweilte. »Wenn man bedenkt, dass von zehn Menschen, die Sie kennenlernen, zumindest neun dazu gebracht werden können, alles zu tun, was Sie wollen, wenn Sie nur den richtigen Anreiz liefern.«
    »Erklären Sie das bitte«, rief Carol.
    »Es gibt etwa den Typ, der sich einschüchtern lässt. Schreien Sie ihn laut genug an – und er wird Ihnen gehorchen. Es gibt den widersprüchlichen Typ. Schikanieren Sie ihn in genau die entgegengesetzte Richtung von dem, was Sie eigentlich erreichen wollen. Es gibt den beeinflussbaren Menschen, der den gängigsten Typ von allen darstellt. Das sind die Leute, die ein Auto gesehen haben, weil sie eine Autohupe gehört haben; die einen Postboten sehen, weil sie das Klappern des Briefkastens hören; die ein Messer in einer Wunde sehen, weil man ihnen gesagt hat, dass jemand niedergestochen wurde; oder die einen Pistolenschuss gehört haben, wenn man ihnen sagt, dass ein Mann erschossen wurde.«
    »Ich denke, niemand könnte mich mit solchen Sachen übertölpeln«, meinte Carol ungläubig.
    »Du bist auch viel zu schlau dafür, mein Schatz«, sagte ihr Vater.
    »Was Sie sagen, stimmt wirklich«, bekräftigte der Franzose nachdenklich. »Die vorgefasste Meinung täuscht unsere Sinne.«
    Carol gähnte. »Ich gehe in meine Höhle. Ich bin todmüde. Abbas Effendi meinte, wir müssen morgen ganz früh los. Er wird uns zur Opferstätte bringen – was immer das heißt.«
    »Dort opfern sie junge, wunderschöne Frauen«, sagte Sir Donald.
    »Der Herr sei uns gnädig, ich hoffe nicht! Nun, ich wünsche Ihnen allen eine gute Nacht. Oh, mein Ohrring ist hinuntergefallen.«
    Colonel Dubosc hob den Ring auf, der über den Tisch gerollt war, und gab ihn ihr zurück.
    »Sind die echt?«, fragte Sir Donald unvermittelt. Er starrte recht unhöflich auf die beiden großen, einzeln gefassten Perlen an ihren Ohren.
    »Ja, sie sind echt«, sagte Carol.
    »Die haben mich achtzigtausend Dollar gekostet«, sagte ihr Vater genüsslich. »Und sie steckt sie sich so locker in die Ohren, dass sie runterfallen und auf dem Tisch rumrollen. Möchtest du mich ruinieren, Kind?«
    »Ich behaupte, es würde dich nicht mal ruinieren, wenn du mir ein neues Paar kaufen müsstest«, sagte Carol liebevoll.
    »Das würde es wohl nicht«, stimmte er ihr zu. »Ich könnte es mir leisten dir drei neue Paar Ohrringe zu kaufen, ohne es auf meinem Konto zu bemerken.« Er schaute sich stolz um.
    »Wie schön für Sie!«, meinte Sir Donald.
    »Nun, Gentlemen, ich werde mich jetzt auch hinlegen«, sagte Blundell. »Gute Nacht.« Der junge Hurst begleitete ihn.
    Die anderen vier grinsten einander an, als ob derselbe Gedanke sie erheiterte.
    »Nun«, äffte Sir Donald den Amerikaner nach, »gut zu wissen, dass es ihm nicht an Geld mangelt. Eingebildeter Raffke!«, fügte er bösartig hinzu.
    »Sie haben einfach zu viel Geld, diese Amerikaner«, sagte Dubosc.
    »Es ist schwer für einen reichen Mann«, meinte Mr Parker Pyne freundlich, »von den Armen geschätzt zu werden.«
    Dubosc lachte.

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