Partials 1 – Aufbruch
verlasse sie wieder, ohne
Misstrauen zu erregen. Niemand kennt mich, und dank der Uniform bin ich
unverdächtig.«
»Man kann ja hoffen«, bemerkte der Bärtige.
»Ehrlich, Rowan«, wies Tovar ihn zurecht, »muss das jetzt sein?
Müssen wir über jeden kleinen Schritt des Plans streiten?«
»Dein sogenannter Plan läuft darauf hinaus, das Beste zu hoffen und
unauffällig aufzutreten«, erwiderte der bärtige Mann. »Wenn du sie mitten in
feindliches Gebiet schickst, würde ich gern etwas Verlässlicheres hören.«
»Ich will selbst nicht, dass sie es tun.« Tovar hob hilflos beide
Hände. »Ich plane einen Großangriff auf die Stadt, und dies ist – berücksichtigt man Zeit und Ressourcen – das Beste, was mir im Moment einfällt.«
Rowan wandte sich an Gianna. »Wollen Sie Ihr Leben für das Beste
riskieren, was ihm einfällt?«
»Wir sind bereit, es hierfür zu riskieren.« Kira hielt die Spritze
hoch. »Es ist keine abstrakte Theorie, sondern eine reale Therapie. Eine Injektion
wird das Leben eines Kinds retten. Können Sie sich das vorstellen? Ein
lebendes, atmendes Kind, das eine Woche, einen Monat, ein Jahr überlebt. Ein
Kind, das lacht und krabbelt und sprechen lernt.« Ihre Stimme brach. »Dafür
gäbe ich ohne Zögern mein Leben.«
Betretenes Schweigen erfüllte den Raum.
Rowan regte sich als Erster. »Es mag das Risiko wert sein, aber das
rechtfertigt noch keinen riskanten Plan.«
»Der Plan wird funktionieren«, erwiderte Tovar hitzig. »Farad kennt
die Passwörter, und unsere Informanten in der Stadt haben uns über die Sicherheitsmaßnahmen
im Krankenhaus in Kenntnis gesetzt. Wir können sie hineinbringen, und wir
können Madison Sato herausholen. Wir bringen sie auf eine Farm im Osten. Dort
kann sie entbinden, und das Baby wird überleben.«
»Ich teile das Mittel in mehrere Dosen auf«, erklärte Kira. »Eine
bleibt bei Tovar hinter der Front und kann für Madisons Baby Arwen benutzt werden.
Die zweite nehmen wir für den Fall mit, dass Arwen schon geboren ist. Je
nachdem, wie weit das Virus sich bereits ausgebreitet hat, müssen wir die
Injektion vielleicht sofort geben.«
Tovar deutete auf Rowan. »Die dritte Dosis nimmst du mit. Du wendest
dich nach Osten in Richtung Flanders oder Riverhead, wo die Abwehr schwach ist.
Impf alle Neugeborenen, die du findest!« Er betrachtete die Spritze, die Kira
in Händen hielt. »Das Mittel ist zu wichtig, um es bei einer einzigen Mission
aufs Spiel zu setzen.«
Kira nickte und hörte im Hinterkopf ein nörgelndes Stimmchen: Habe ich das Pheromon? Wenn ich wirklich eine Partial bin, kann
ich dann auch RM heilen? Sie wagte fast nicht, darüber nachzudenken und
es zu hoffen. Das wäre viel zu leicht gewesen, und bisher hatte sich alles als
schwierig erwiesen. Sobald sie die Gelegenheit bekam und sobald sie die
richtige Ausrüstung hatte, musste sie sich selbst testen.
»Wir setzen ungeheuer große Hoffnungen in dieses Mittel«, flüsterte
Gianna andächtig.
»Ich weiß«, antwortete Kira.
»Damit wäre das Team vollständig«, sagte Rowan. »Gianna, der neue
Mann und diese Sanitäter.«
»Und wir«, fügte Jayden hinzu. »Madison ist meine Schwester.«
Xochi nickte. »Und Kira ist meine Schwester.«
Auf einmal hatte Kira ein schlechtes Gewissen, als hätte sie alle
anderen verraten. Wie hätten sie reagiert, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, wer
sie in Wirklichkeit war?
Der Jeep brach drei Kilometer nordwestlich von East Meadow
zusammen. Gianna und Farad steckten fast eine Stunde lang die Köpfe unter die
Motorhaube, fluchten, schlugen auf das Blech und versuchten den Motor wieder
anzulassen. Kira und Marcus hockten auf dem Bordstein und planten die Route
durch die Klinik: wohin sie auf welchem Weg gelangen konnten, welche
medizinischen Begriffe Gianna kennen musste, um Madison aus der Obhut der Schwestern
zu entführen. Kira hatte die Spritze bei sich, sie war sorgfältig eingepackt, gepolstert
und an der Hüfte verstaut. Unwillkürlich tastete sie danach und vergewisserte
sich, dass sich der kleine Behälter noch an Ort und Stelle befand. Farad kam
müde zu ihnen und warf einen Klotz öliges schwarzes Metall auf die Straße.
»Schlechtes Benzin?«, fragte Marcus.
»Besseres Benzin ist mir seit einer ganzen Weile nicht
untergekommen«, erwiderte Farad. »Es ist der Anlasser. Er ist nicht einmal
brüchig, verformt oder verklemmt, er ist einfach nur alt.« Er ließ sich neben
den beiden auf dem Bordstein nieder. »Es kann so viel kaputtgehen,
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