Partials 1 – Aufbruch
betrachtete sie schweigend und mit gerunzelter Stirn.
Schließlich lächelte er. »Wenn Sie es so ausdrücken, muss ich zugeben, dass ich
letzte Woche wahrscheinlich einen sprechenden Hund gehört habe. Seine Pisse
habe ich aber nicht probiert.« Er stand auf. »Es ist Vormittag, und das Wetter
ist gut. Wenn wir gleich loslegen, sind Sie bis zum Abendessen verprügelt und
in Polizeigewahrsam. Ich habe aber noch ein paar Trümpfe im Ärmel. Ich rufe
meine Leute zusammen.«
36
Einer der Trümpfe in Tovars Ärmel waren Uniformen.
Dutzende Uniformen der Abwehr, die aus dem Überfall auf das Depot in der alten
Highschool in East Meadow stammten. »Wir haben auch einen Haufen Munition und
Rationen gestohlen«, erklärte er verschlagen. »Dadurch sah es so aus, als
hätten wir es vor allem auf die Vorräte abgesehen, aber die Uniformen waren die
wertvollste Beute. Wenn man sie richtig einsetzt, ist jede davon Tausende Patronen
wert.« Kira nickte und streifte sich eine der Uniformen über ihre
Zivilkleidung.
Im ohnehin schon beengten Wohnzimmer drängten sich inzwischen auch
noch mehrere Anführer der Stimme . Kira beobachtete,
wie sie redeten und über behelfsmäßigen Karten der Insel brüteten. Sie waren
entschlossen und schienen durchaus fähige Leute zu sein, ihnen fehlte jedoch
die Erfahrung der Abwehr. Die Abwehr war besser organisiert, was sich bereits
bei so einfachen Unternehmungen wie einem Bergungseinsatz zeigte. Ein
Vorgesetzter entwarf den Plan, die Untergebenen lauschten aufmerksam. Bei der Stimme lief es ganz anders.
»Das ist Farad.« Tovar deutete auf einen ernsten Mann mit einem
Büschel roter Haare auf dem Kopf. »Die Uniformen sind nett, aber er ist unsere
eigentliche Geheimwaffe. Er ist ein Soldat der Abwehr und erst vor Kurzem zu
uns übergelaufen. Die Offiziere der Abwehr wissen hoffentlich noch gar nicht,
dass er abtrünnig geworden ist.«
Farad sah sich nervös in dem Raum um. Inmitten so vieler Leute, die
er unlängst noch als Feinde betrachtet hatte, fühlte er sich unwohl. »Nach dem
Aufstand habe ich mich bemüht und wollte die neuen Regeln anwenden, aber … ich
konnte einfach nicht mehr. Sie haben es zu weit getrieben«, gestand er leise.
»Farad war Fahrer«, fuhr Tovar fort. »Wie es der Zufall will, haben
wir letztens auch einen Jeep der Abwehr … äh … befreit.« Er wandte sich an
Kira. »Vermutlich gehörte er zu dem Konvoi, der Sie nach dem Aufstand
verfolgte. Der Wagen ist in gutem Zustand, hat eine Plane über der Rückbank und
trägt das Abzeichen der Abwehr. Farad kennt die Passwörter, um die Grenze zu
überqueren.«
»Er kannte die Passwörter«, widersprach
ein großer Mann, der an der Wand lehnte. Er war alt, hatte graues Haar und
einen Bart. Auf den Armen zeichneten sich dicke Muskeln ab. »Sie haben die
Passwörter längst geändert. Wenn sie nur etwas Grips besitzen, dann haben sie genau
das getan.«
»Aber sie wissen noch gar nicht, dass ich desertiert bin«,
widersprach Farad mit zaghafter, brüchiger Stimme. »Ich meine … sie können es
doch nicht so schnell herausgefunden haben.«
»Was die Abwehr betrifft, sind Sie immer noch auf einer Erkundungsmission«,
stimmte Gianna zu. »Sobald Sie aber auf jemanden stoßen, der Ihren Auftrag
kennt, wird es keine Rolle mehr spielen, wie viele Passwörter Sie wissen.«
»Wir fliegen trotz der Uniformen auf«, wandte Jayden ein. »Kira und
Marcus fallen sofort auf, wenn wir uns dem Krankenhaus nähern. Jeder kennt
sie.«
»Und sie kennen sich im Krankenhaus aus«, erklärte Tovar. »Keiner
von uns weiß dort Bescheid – oder jedenfalls nicht gut genug. Hier ist der
Plan: Farad fährt mit Ihnen in die Stadt und schleust Sie durch die Grenzkontrollen.
Die bekannten Gesichter hocken hinten im Wagen und ziehen die Köpfe ein. Das
ist gefährlich, aber wenn Sie aufpassen, kann es klappen. Sie fahren zum
Krankenhaus, genauer gesagt zum Hintereingang, den Sie erwähnt haben.«
»Der Ausgang, durch den wir am Abend des Aufstands geflohen sind«,
erklärte Kira. »Dort führt eine breite Rampe in den Keller, auf der wir kaum zu
beobachten sind. Die Wächter im Gebäude sehen zwar, dass wir da sind, erkennen
jedoch nicht genau, wer einsteigt oder aussteigt.«
Tovar nickte. »Sie gehen durch die unteren Stockwerke bis zur Entbindungsstation
hinauf und schnappen sich Ihre Freundin. Das ist der schwierigste Teil.«
»Deshalb muss ich mit«, erklärte Gianna. »Sobald wir nahe genug
sind, betrete ich die Entbindungsstation und
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