Partials 1 – Aufbruch
Einkaufszentren!«, fluchte Kira.
Ȇberall sonst steht reichlich Wald, ausgerechnet hier gibt es so viel offenes
Gelände.«
»Außer ein paar Büschen«, meinte Xochi, »aber hinter denen finden
wir nicht alle Deckung.«
»Seht mal dort!« Gianna deutete in Richtung Süden. »Der nächste
Trupp Soldaten ist mindestens zwei Blocks entfernt. Die Lücke zwischen den
Trupps scheint mir ziemlich groß. Sobald es dunkel wird, sind unsere Aussichten
gar nicht so schlecht.«
Kira schätzte die Entfernung zu den Abteilungen im Norden und im
Süden ab. »Suchen Sie doch mal im Funkgerät, welche Frequenz die Posten hier
benutzen!«
Gianna schaltete die Kanäle durch und forschte nach einer aktiven Frequenz.
Jedes Mal, wenn sie Stimmen hörte, hielt sie inne und lauschte auf
Straßennamen. Kira atmete erleichtert auf, als die Gardiner’s Road erwähnt
wurde.
»Das hätten wir.« Kira trommelte nachdenklich mit den Fingern auf
dem Zaun herum. »Überwachen Sie auch die beiden Nachbarkanäle! Wir stellen eine
Wache auf, halten uns ruhig und warten auf die Dunkelheit.« Sie spähte noch
einmal durch den Zaun und dachte über die Entfernungen nach. Sie sollten in der
Nacht losschlagen, und wennsie aufpassten, konnten
sie es schaffen, ohne entdeckt zu werden.
Mit jeder Stunde, die verging, steigerte sich Kiras Beunruhigung.
Wer war sie? Warum war sie hier, und wer steckte hinter dem Geheimnis ihrer
Herkunft? Hatte sie das Schläfer-Pheromon im Blut? Oder etwas viel
Schrecklicheres? Unzählige Fragen schossen ihr durch den Kopf und suchten
verzweifelt nach Antworten. Sie bemühte sich, alles wegzuschieben und nur an
die vor ihr liegende Aufgabe zu denken, doch dadurch wurde alles nur noch
schlimmer. Wenn sie an Madison und Arwen dachte, wäre sie am liebsten sofort
zum Krankenhaus gerannt. Sie klopfte auf die Spritze an der Hüfte und übte sich
in Geduld.
Als es endlich dunkel wurde, brach Farad ein paar Bretter aus dem
Zaun und riss ein kleines Loch in den Kudzu. Sie schulterten die Ausrüstung,
zogen alle Riemen fest und warteten nebeneinander an der Grenze der offenen
Fläche: Farad, Xochi, Jayden, Gianna, Kira und Marcus. Kira packte das Gewehr
und atmete tief und langsam durch.
»Lassen Sie das Funkgerät eingeschaltet, aber so leise wie
möglich!«, verlangte Kira. »Wenn uns die Abwehr bemerkt, will ich es sofort
erfahren.«
Gianna setzte ein schmales Lächeln auf. »Schon erledigt.«
»Dann gehen wir. Duckt euch, seid leise, und wenn sie uns bemerken,
rennt los!«
Farad wippte auf den Fußballen. »Achtung … fertig … los.« Er ließ
sich zu Boden fallen und rutschte los. Fast lautlos robbte er durch das Unkraut
bis zu der behelfsmäßigen Sperre aus Autos. Die anderen folgten und bemühten
sich, ebenso leise zu sein. Ein paar Sekunden lang herrschte tiefes Schweigen,
dann waren im Funkgerät aufgeregte Rufe, Schreie und statisches Rauschen zu
hören.
»Da, da! Südlich von Dreiundzwanzig!«
Keine zwanzig Zentimeter neben Kiras Hand traf eine Kugel den
Asphalt.
»Das war es dann mit der Heimlichkeit«, sagte sie. »Lauft!« Sie
sprangen auf, rannten über die Straße und hechteten über die Autos hinweg. Kira
stemmte die rechte Hand auf eine breite Motorhaube, um sich abzustützen. Das
Metall, das sich in der Sonne stark erhitzt hatte, versengte ihr die Haut. Sie
richtete sich auf und trampelte darüber hinweg, nach zwei raschen, scheppernden
Schritten konnte sie dahinter auf den Boden springen. Im Funk waren inzwischen
unablässig Warnrufe zu hören, und die Schüsse klangen verzerrt – zuerst im
Funk, einen Sekundenbruchteil später als echtes Geräusch. Farad war schon drüben
und rannte über den Parkplatz auf eine Lücke zwischen den Gebäuden des
Einkaufszentrums zu. Gianna sank auf einmal wie ein Stein zu Boden, über ihr
hing ein Schleier in der Luft.
»Nein!«, rief Kira. Sie war so dicht hinter Gianna hergelaufen, dass
sie stolperte und zu Boden ging. Sofort rappelte sie sich wieder auf und wollte
Gianna helfen, doch Marcus war inzwischen bei ihr angelangt, packte sie und zog
sie weiter.
»Weiter!«
»Wir müssen ihr helfen.«
»Sie ist tot. Lauf weiter!«
Kira riss sich los und wandte sich um, während gefährlich dicht eine
Kugel vom Boden abprallte. Gianna lag mit dem Gesicht nach unten in einer
Blutlache. »Verzeih mir«, flüsterte Kira und griff nicht nach der Frau, sondern
nach dem Funkgerät. Das war zu wichtig, um liegen gelassen zu werden.
Auf einmal spürte sie einen Schlag,
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