Partials 1 – Aufbruch
ihr war, als hätte sie einen Schlag in die Magengrube bekommen. Sie
starrte Madison mit weit aufgerissenen Augen an, der Atem stockte ihr in der
Kehle.
»Nein …«
Madison lehnte sich zurück und lächelte von einem Ohr zum anderen.
»Ich bin schwanger.«
Kira schüttelte den Kopf und rang nach Atem. »Nein, Mads, nein …«
»Ja«, bekräftigte Madison. »Eindeutig. Mir ist seit ein paar Wochen
dauernd übel. Manchmal kann ich nichts essen, und eine halbe Stunde später habe
ich Heißhunger auf total verrückte Sachen. Ich war gierig auf Erde, Kira. Auf
Erde aus unserem Garten. Ist das nicht verrückt?«
»Uns fehlen in unserer Ernährung verschiedene Mineralien«, flüsterte
Kira. »Wenn Schwangere Gelüste auf etwas entwickeln, dann ist das nur die
Methode des Körpers, uns zu sagen, was wir brauchen. Gartenerde enthält tatsächlich
Stoffe, die wir benötigen.«
»Jedenfalls gehe ich in ein paar Tagen ins Krankenhaus und lasse
einen gründlichen Test machen«, erklärte Madison. »Ich wollte, dass du es als
Erste erfährst.«
»Nein.« Kira schüttelte den Kopf. Das durfte doch nicht wahr sein.
Aber es war zu erwarten gewesen und entsprach natürlich der Wahrheit. Kira
wollte einfach nicht, dass es Madison traf, die fast wie eine Schwester und in
gewisser Weise die engste Angehörige war, die sie überhaupt besaß. »Hast du
eine Vorstellung, wie das ist?«, fragte sie. »Die Schmerzen und Gefahren? Trotz
unserer Ausrüstung und Erfahrung im Krankenhaus sterben immer noch Frauen bei
der Geburt, und selbst wenn du überlebst, wird dein Baby sterben. Wir haben
noch kein Heilmittel für RM gefunden. Du lebst ein
paar Monate mit einem schönen Gefühl, dann kommen die Schmerzen, die Angst und
das Blut und alles andere, und dann stirbt das Kind.« Es zerriss Kira fast,
heiße Tränen schossen ihr in die Augen und liefen ihr über das Gesicht. Sie
stellte sich Madison dort vor, wo Ariel gewesen war, mit weit aufgerissenen
Augen kreischend, wie sie an der Trennscheibe hing, während ihre Tochter
strampelte, schrie und starb. »Kein Wunder, dass Haru sich so aufregt.« Sie
wischte sich das Gesicht ab. »Es ist zu viel für dich, das brauchst du nicht.«
»Doch, das brauche ich«, erwiderte Madison leise.
»Es ist ein dummes Gesetz.« Kira hob zornig die Stimme, dann blickte
sie zum Flur und sprach leise weiter. »Du musst dir das nicht antun. Gib mir
etwas Zeit! Tu so, als wärst du unfruchtbar. So etwas kommt vor. Aber sei nicht …«
»Es ist doch schon zu spät.« Madison lächelte so süß und lieblich
wie Dutzende anderer Mütter, die Kira gesehen hatte, und es brach ihr das Herz.
Madison nahm Kiras Hand. »Ich habe das nicht für das Zukunftsgesetz oder für
den Senat getan, sondern für mich selbst.«
Kira schüttelte den Kopf. Wieder rollten ihr Tränen über die Wangen.
»Ich will das«, fuhr Madison fort. »Ich bin dazu geboren, eine
Mutter zu sein. Es liegt mir in der Natur, es macht mich zu der, die ich bin.«
Sie presste die Hände auf die Brust und blinzelte, weil ihr ebenfalls die Tränen
kamen. »Ich weiß, dass es dir Angst macht, genau wie Haru. Mir macht es auch
Angst, schreckliche Angst, aber es ist richtig. Selbst wenn es nur ein paar
Tage oder nur ein paar Stunden dauert.«
»Oh, Madison!« Kira beugte sich vor und umarmte ihre Freundin. Sie
fühlte sich schrecklich, bekam Schuldgefühle und wusste doch, dass sie recht
hatte. Zugleich schämte sie sich über sich selbst, weil sie Madison so
zugesetzt hatte. Natürlich kannte Madison die Risiken. Jeder auf der Insel
wusste Bescheid. Madison lief nicht davor weg, sondern ging dem Verhängnis mit
offenen Augen entgegen.
Kira zog sich zurück und wischte sich noch einmal die Tränen ab.
»Früher oder später wird ein Kind überleben«, sagte sie. »Das ist
unvermeidlich. Irgendwann schafft es ein Kind, und es könnte deins sein.«
Marcus kam mit einem großen Holztablett herein und hielt inne, als
er sah, wie sich die beiden weinend umarmten. »Alles in Ordnung?«
»Ich erzähl’s dir später.« Kira löste sich von Madison und musste
sich schon wieder über die Wangen reiben, die allmählich brannten.
»Na gut«, sagte er zögernd. Er stellte das Tablett auf den niedrigen
Tisch in der Mitte. Xochi hatte das Brathühnchen mit Kräutern und Saft
abgeschmeckt und daneben einen großen Berg Bratkartoffeln aufgehäuft. Als
Nächste kam die Köchin selbst mit einem Tablett voller Gemüse herein – alles zu
Ehren des Feiertags frisch
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