Partials 1 – Aufbruch
Senat entführt.«
»Die Abwehr sollte nicht das Recht haben, die Leute einfach festzuhalten«,
klagte Xochi. »Es sollte eine regelrechte Verhaftung und eine öffentliche
Verhandlung geben. Die Leute dürfen nicht einfach so verschwinden.«
»Einen Grund haben sie schon«, meinte Haru. »Sie ist eine
Terroristin, und das ist ein verdammt schwerwiegender Grund.«
»Du weißt nicht, ob sie eine Terroristin ist«, widersprach Xochi.
»Oder arbeitest du neuerdings wieder mit höchster Sicherheitsfreigabe in der
Abwehr und hast nur vergessen, es uns zu erzählen?«
Haru funkelte sie an. »Hast du ein Problem damit, dass die Abwehr
ihre Aufgabe erfüllt?«
»Ich habe ein Problem damit, dass es plötzlich zu ihrer Aufgabe
gehört, Leute spurlos verschwinden zu lassen. Wann ist das passiert?«
»Es ist ihre Aufgabe, uns zu beschützen, und sie tun es eben so, wie
sie es für richtig halten. Wenn du ihnen nicht traust, warum bist du dann noch
hier?«
»Vielleicht halte ich es für besser, Probleme zu lösen, statt vor
ihnen wegzulaufen.«
»Vielleicht?«
Das wird mir jetzt zu hitzig, dachte Kira, doch bevor sie
einschreiten und den Streit schlichten konnte, schaltete sich Marcus ein.
»Ich glaube, wir sollten das Thema wechseln«, sagte er. »Beruhigt
euch doch alle!« Er wandte sich an Xochi. »Kann ich dir mit dem Essen helfen?«
»Wir sind fast fertig.« Xochi warf Haru einen letzten wütenden Blick
zu. »Du kannst mir helfen, es hereinzubringen.«
Sie gingen hinaus, und Kira atmete tief durch. Gern hätte sie Haru
die Schuld an dem Streit gegeben – er hatte sicherlich einen großen Teil dazu
beigetragen, dass aus der Diskussion ein Streit geworden war. Doch sie wusste,
dass es nicht allein an ihm lag. Alle in East Meadow waren aufs Höchste
angespannt, wahrscheinlich sogar alle auf der ganzen Insel, und jeder stand
unter Druck. Hatte Gianna wirklich für die Stimme gearbeitet? Hatte die Regierung sie einfach verschwinden lassen?
In gewisser Weise war es in Kiras Kindheit einfacher gewesen. Damals
waren die Partials die bösen Feinde gewesen. Alle schrecklichen Ereignisse
hatte man erklären können, und selbst wenn die Erklärungen beängstigend
geklungen hatten, so waren sie doch wenigstens einfach gewesen. Zwischen Licht
und Dunkel hatte es eine klare Trennung gegeben. Aber inzwischen … Kira hatte
keine Ahnung, wo die Feinde standen und wem man die Schuld geben, wem man
vertrauen konnte. Wenn Gianna eine Stimme war, dann
konnte man auch den Nachbarn nicht mehr trauen, und wenn sie keine war, konnte
man der Regierung nicht trauen. Kira verabscheute beide Möglichkeiten.
Haru stand mit finsterer Miene auf. »Ich muss an die frische Luft.«
Damit ging er. Kira hörte, wie er die Hintertür öffnete und wieder schloss.
Madison lächelte traurig. »Tut mir leid, dass er sich so benimmt«,
sagte sie. »Er hat ziemlich viel Stress.«
»Hatte er eine schlimme Woche bei der Arbeit?«, fragte Kira. Haru
arbeitete beim Bau. Er konstruierte allerdings keine neuen Häuser, denn alles,
was sie brauchten, hatte die alte Welt bereits geschaffen. In East Meadow war
der Bautrupp dafür zuständig, die Gebäude zu erhalten, die derzeit benutzt
wurden, und zu ermitteln, welche neuen Gebäude nach Ansicht des Senats für die
Gemeinschaft benötigt wurden. Sie verbrachten viel Zeit mit Bergungseinsätzen
und untersuchten die Stabilität der alten Häuser, ehe die Mannschaften hineingingen
und alles Nützliche herausholten. Haru hatte eine Begabung dafür gezeigt, und
deshalb hatte man ihn von der Abwehr zum Bautrupp versetzt. Anscheinend war er
darüber aber gar nicht glücklich. Kira wusste, dass er jedes Mal, wenn bei der
Arbeit etwas schiefging, tagelang missmutig war. Sie hatte sich mehr als einmal
gefragt, ob Harus Versetzung in Wirklichkeit eine versteckte Entlassung gewesen
war, weil es Streit gegeben hatte, weil er Streit gesucht oder seine Pflichten
verletzt hatte.
Zu Kiras Überraschung schüttelte Madison den Kopf. »Nein, auf der
Arbeit läuft alles prima«, sagte sie leise. »Es ist …« Sie hielt inne, starrte
zu Boden und brauchte einen Moment, ehe sie Kiras Blick erwidern konnte. »Komm
her!« Sie sprach leise, aber sehr aufgeregt, und plötzlich flammte in ihren
Augen eine neue Energie auf. Kira runzelte die Stirn und fragte sich, was
Madison so glücklich und Haru so gereizt machte. Sie rutschte auf dem Sofa
hinüber, während Madison sich über die Schulter umsah. Auf einmal wurde es ihr
klar, und
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