Partials 1 – Aufbruch
retten.
Du arbeitest im medizinischen Dienst und bist noch nicht einmal voll ausgebildet,
sondern eine Praktikantin. Du hast eine Begabung für die Wissenschaft und
kannst im Krankenhaus viel mehr für die Gemeinschaft tun. Dort bist du in
Sicherheit. Lass sie gehen, wenn sie das wollen, aber du musst bleiben.« Die
Stimme versagte ihm. »Bleib bei mir!«
Kira schloss die Augen. Er begriff es einfach nicht. »Ich bleibe bei
dir, und was dann, Marcus?« Sie sah ihm in die Augen. »Willst du heiraten und
Kinder haben? Das ist nicht möglich, solange wir kein Mittel gegen RM haben. Ob das Alter nun gesenkt wird oder nicht – ich
werde den Rest meines Lebens schwanger sein. Die meisten Frauen bekommen jedes
Jahr ein Kind, und die Kinder sterben. Willst du das wirklich? Wir heiraten,
bekommen Kinder, und zwanzig Jahre später haben wir zwanzig tote Kinder. In
meinem Herzen ist nicht genug Platz dafür. So stark bin ich nicht.«
»Dann gehen wir weg«, sagte Marcus. »Wir ziehen auf eine Farm oder
in ein Fischerdorf, oder wir schließen uns der Stimme an, das ist mir alles egal, solange du glücklich bist.«
»Die Stimme und die Abwehr zerstören die
Insel, wenn wir keine Heilung finden, Marcus. Wir werden nirgends mehr sicher
sein.« Sie starrte ihn an und gab sich Mühe, ihn zu verstehen. »Glaubst du
wirklich, ich könnte irgendwo in einem winzigen Dorf glücklich werden und
zulassen, dass die Welt stirbt?« Sie war heiser vor Erregung. »Kennst du mich
überhaupt?«
»Es wird keine Heilung geben, Kira.« Marcus antwortete leise, es tat
ihm auch selbst weh. Er holte tief Luft und reckte das Kinn. »Du bist eine
Idealistin. Du löst Rätsel, und wenn du vor einem unüberwindbaren Problem
stehst, dann erkennst du Zusammenhänge, die bisher noch niemand gesehen hat.
Verrückte haarsträubende Zusammenhänge, die noch niemand gesehen hat, weil sie
so haarsträubend und verrückt sind. Wir müssen uns der Wahrheit stellen. Wir
haben alles versucht, wir haben alles erforscht, wir haben alle verfügbaren
Ressourcen genutzt, aber eine Heilung für RM gibt
es immer noch nicht, weil die Seuche unheilbar ist. Wenn du auf der anderen
Seite des Flusses stirbst, wirst du daran nichts ändern.«
Kira schüttelte den Kopf und rang um Worte. Wie konnte er nur so
etwas sagen? Wie konnte er es wagen, so etwas zu denken? »Du …« Sie hielt inne,
brach in Tränen aus, begann noch einmal. »Wie kannst du mit einer solchen
Einstellung leben?«
»Wir haben doch keine andere Perspektive mehr, Kira.«
»Aber wie kannst du ohne Zukunft leben?« Sie erwiderte seinen Blick.
Er schluckte. »Indem ich in der Gegenwart lebe. Die Welt ist schon untergegangen,
Kira. Vielleicht wird eines Tages ein Baby überleben, vielleicht auch nicht. Es
wird nichts ändern. Wir haben nur noch uns selbst, also lass uns das Leben
genießen. Wir können zusammen sein, wie wir es uns immer vorgestellt haben, und
den Tod, die Angst und alles andere vergessen. Einfach nur leben. Wenn du die
Insel verlassen willst, können wir das tun. Wir können irgendwohin gehen, wo
uns niemand findet, weit weg vom Senat und der Stimme und den Partials und allem anderen. Aber lass es uns zusammen tun!«
Kira schüttelte schluchzend den Kopf. »Liebst du mich wirklich?«
»Das weißt du doch.«
»Dann tu mir diesen einen Gefallen.« Sie schniefte, wischte sich
über die Augen und musterte ihn ernst. »Halt uns nicht auf!« Er wollte
protestieren, aber sie fiel ihm ins Wort. »Ich kann in der Welt, die du
beschreibst, nicht leben. Wir brechen bald auf, und wenn ich sterbe, dann
sterbe ich eben, aber wenigstens habe ich es versucht. Wenn du mich liebst,
dann verrätst du niemandem, was wir tun, wohin wir gehen und wie man uns aufhalten
könnte. Versprich es mir!«
Marcus schwieg, und Kira ergriff ihn bei den Armen. »Bitte, Marcus,
versprich es mir!«
Seine Stimme klang erschöpft und mutlos. »Ich verspreche es.« Er zog
sich zurück und löste sich von ihr. »Alles Gute, Kira.«
ZWEITER TEIL
Zwei Monate später
13
Der Wagen rollte um 12.02 Uhr aus der Stadt hinaus. Es war
eine kampfgerüstete kleine Gruppe. Jayden hatte einen alten Bericht über ein
Objekt im Südwesten gefunden. Es war eine Highschool an der Südküste, die noch
niemand näher untersucht hatte. Schulen besaßen im Allgemeinen gut eingerichtete
Krankenstationen, deshalb war es kein Problem gewesen, Kira anzufordern. Die
Schule war außerdem schon recht alt, also musste Haru mitkommen und das
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