Partials 1 – Aufbruch
Scherbe?
Oder ein Signal an jemanden, der sich in der Stadt versteckt hielt?
Dann erreichten sie den alten Stadtkern, und Kira entdeckte
Anzeichen derzeitiger Bewohner: Graffiti auf den Wänden, Planen auf zerstörten
Dächern, Bretter vor geborstenen Fenstern. Vor einer alten Bank hingen gewellte
Aluminiumbleche, und die Autos auf dem Parkplatz waren zu einer Barrikade
zusammengeschoben. Sie konnte nicht erkennen, wie alt diese Befestigungen waren
und ob dahinter noch jemand lebte. Nichts rührte sich, niemand verlor ein Wort
darüber.
Zwei Blocks weiter ertönte ein lauter Knall. Kira zuckte erschrocken
zusammen und packte die Waffe fester. »War das ein Schuss?«
»Es klang eher so, als wäre etwas heruntergefallen.« Jayden spähte
aufmerksam in jeden Winkel und Schatten, während sie weiterfuhren. »Möglicherweise
eine Sperrholzplatte, aber sicher bin ich nicht.«
»Dann sind wir nicht allein?«
»O nein, wir sind ganz bestimmt nicht allein.«
Kira betrachtete die Fenster an der Straße – alte Einfamilienhäuser,
Wohnblocks, Restaurants, Eisdielen. Alle waren ausgeplündert und hatten unter
Wind, Wetter und menschlicher Gewalt gelitten. Yoon ließ die Pferde laufen und
flüsterte leise mit ihnen, um sie zu beruhigen. Gabe zeigte seine Minikanone
wie einen Talisman her und hatte sich auf dem Sitz halb aufgerichtet, um
jederzeit schießen zu können. Dünn und Dreckig hockten geduckt im Wagen und
visierten mit den Gewehren Stellen an, auf die Kira keinen zweiten Blick verschwendet
hätte: einen Müllcontainer in einer Gasse, eine Anzeigetafel, einen umgekippten
und verbeulten Lieferwagen.
Auf einmal hörten sie Schritte in einer Seitenstraße. Kiras Herz
schlug schneller. Sie konnte nicht erkennen, ob dort jemand auf sie zurannte
oder vor ihnen weglief. Sosehr sie sich auch anstrengte, es war nichts zu entdecken.
»Möglicherweise Stimmen , die einen
Überfall planen«, erklärte Jayden. »Oder Fischer, die uns für Stimmen halten.«
»Ihr tragt Uniformen«, widersprach Haru. »Sie sollten doch wissen,
dass wir ihnen nichts tun.«
Kira packte das Gewehr fester. »Damit sind wir auch leicht zu
erkennende Ziele für die Stimme .« Kira bemerkte in
einem oberen Fenster eine Bewegung, wandte sich rasch um und richtete den Lauf
auf den Gegner. Der Finger fand den Abzug, und sie war bereit, den ersten Schuss
abzufeuern.
Es war ein Junge von höchstens vierzehn Jahren. So jung wie Saladin.
Das Gesicht war schmutzig, das Hemd zerfetzt und zu groß. Kira keuchte, atmete
heftig und beobachtete den Jungen durch das Zielfernrohr. Der Finger lag
bereits auf dem Abzug. Sie ließ das Gewehr sinken.
»Nicht auf ihn schießen!«
Auch Jayden spähte zu dem Jungen im Fenster hinauf, der mit
versteinertem Gesicht auf sie herabblickte. Der Wagen rollte weiter, und sie
konnten ihn nicht mehr sehen. Kira rutschte an der Wand der Ladefläche
hinunter, legte das Gewehr weg und schlug die Hände vors Gesicht.
Der Wagen rumpelte durch die verlassene Stadt.
Die Halbinsel erstreckte sich lang, viel länger als die letzte.
Inzwischen ging die Sonne unter, und die Gebäude warfen verzerrte Schatten auf
die Straße. Kira betrachtete die Geschäfte, die nach und nach wieder
Wohnhäusern wichen. Dann folgten Apartments, schließlich Kudzu-Urwälder und
kleine Schösslinge. Gerade als Kira zu der Ansicht gelangte, es sei längst zu
dunkel, um noch weiterzufahren, ließ Jayden anhalten und deutete auf das
heruntergekommene Büro eines Jachthafens. Dünn und Dreckig sprangen aus dem
Wagen und verschwanden fast sofort, verschmolzen im Nu mit den Schatten. Kira
wartete angespannt und war so nervös, dass sie das Gewehr wieder an sich nahm.
Sie wollte etwas sagen, doch Jayden hieß sie mit einer Handbewegung schweigen.
Die Minuten dehnten sich wie Stunden, dann leuchtete in dem Büro ein kleines
Licht auf. Jayden pfiff leise, worauf Yoon die Pferde zu dem Gebäude hinüberlenkte.
Die Vorderfront hatte vollständig aus Glas bestanden, damit die Modelle der
dort angepriesenen Boote zur Geltung kamen. Die Öffnung war groß genug, um den
ganzen Wagen in den schützenden Unterstand zu fahren. Jayden sprang hinaus,
Gabe polterte ebenfalls hinunter und beäugte den rückwärtigen Straßenabschnitt.
»Hinten ist eine Tür«, berichtete Dünn. »Zwei Fenster. Zu groß, um
sie zu vernageln.«
»Los!«, rief Jayden. Sie verschwanden in den hinteren Räumen. Haru
lud die Gerätschaften ab, und Kira eilte ihm zu Hilfe – Decken und
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