Partials 1 – Aufbruch
sie hatte es bemerkt. Sie wartete, die Stille dehnte sich eine halbe
Ewigkeit lang, dann stürmte jemand mit lautem Poltern durch den Schutt vor der
Tür, und ein lauter Knall war zu hören. Eine Blendschockgranate. Die vier
verhielten sich still und warteten im Hinterzimmer ab, während sich schwere
Stiefeltritte der Küche näherten.
Jayden lag an der geschlossenen Tür auf dem Bauch und benutzte eins
von Kiras medizinischen Geräten. Es war eine kleine Linse mit einem schmalen,
biegsamen Griff. Das Gerät wurde gewöhnlich benutzt, um den Nasen- und Halsraum
zu untersuchen, aber es war im Grunde ein winziges Periskop. Er hatte es unter
der Tür durch um die Ecke geschoben und konnte damit das verminte Wohnzimmer
überblicken.
Kira hörte ein leises Murmeln im Wohnzimmer und spitzte die Ohren.
Sie war jedoch nicht sicher. Es klang wie Welche Gruppe ist
das? Eine Antwort vernahm sie nicht.
Jayden hob eine Hand und war bereit, das Signal zu geben. Harus
Finger schwebte schon über dem Zünder. Kira hielt ihn zurück. »Einer ist noch
im Flur«, raunte sie verzweifelt. Sie hörte die Schritte. Haru schien zu
verstehen und nickte.
Schließlich gab Jayden das Signal und verzog sich hinter die
Matratze, die sie gegen die Wand gelehnt hatten. Als nichts geschah, wandte er
sich erschrocken um, und als er sie warten sah, zischte er Flüche und
wiederholte das Signal.
Kira deutete zum Flur und versuchte ihm zu verstehen zu geben, dass
dort draußen noch einer lauerte. Sie zeigte ihm drei Finger und wedelte
nachdrücklich mit der Hand. Endlich nickte Jayden und kehrte zu seinem Periskop
zurück. Dann sprang er überrascht auf, kaum dass er hindurchgeblickt hatte, und
stürzte mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen zu Haru hinüber. Der Türknauf
drehte sich bereits, weil einer der Partials zu ihnen hereinwollte. Kira schlug
mit der flachen Hand auf den Auslöser.
Dröhnend ging die Welt unter.
Das ganze Gebäude wackelte, Rahmen lösten sich aus den Wänden, der
Putz fiel von der Decke. Die ganze Wand barst und flog Kira um die Ohren. Trotz
der Matratze fühlte es sich an, als hätte sie Hammerschläge auf den Kopf
bekommen. Im gleichen Augenblick rutschte das ganze Zimmer bergab. Der Boden
gab nach, und ihr wurde schwindelig. Sie klammerte sich an das leere
Bettgestell, das jedoch wie alles andere abrutschte. Es gab ein lautes Krachen,
und eine Lawine aus Holz und Putz raste auf sie zu. Sie ließ das Bett los und
schlug sich beide Hände über den Kopf.
Von allen Seiten prasselte der Schutt auf sie herab, dann umfing sie
etwas Grobes und Festes. Die Bewegung wurde langsamer und hörte auf, und als
sie allmählich die Hände vom Kopf nahm, erkannte sie, dass andere Teile des
Gebäudes weiterhin in Bewegung waren – ein Schauer aus Dreck und Trümmern, ein
stürzender Kühlschrank. Ein Teppich versank langsam in einem Loch. Die Räume
und Flure des Gebäudes waren nicht mehr zu erkennen, alles ging im Chaos unter.
Kira wollte sich bewegen, steckte aber bis zu den Hüften im Schutt fest.
Irgendetwas Großes und Schweres blockierte ihre Beine.
In der Ferne rief jemand. Sie antwortete heiser, so gut es der Staub
erlaubte.
»Hallo! Jayden!«
Vor ihr stieg eine Hand aus den Trümmern auf, dann erkannte sie die
dunkelgraue Uniform und die Körperpanzerung, die sie auf unzähligen Fotos aus
der Kriegszeit gesehen hatte. Es war ein Partial.
Kira strampelte in ohnmächtiger Anstrengung und suchte nach ihrem
Gewehr. Es war nirgends zu entdecken, auch die Sanitätstasche war verschwunden
und mit ihr die Möglichkeit, Gewebeproben zu nehmen. Die Hand bewegte sich
langsam, aber verbissen im Schutt und tastete nach etwas, an dem sie sich
festhalten konnte. Schließlich fand sie eine vorstehende Strahlstrebe und
packte zu, dann strengte sich der Besitzer an, und der Schutt bewegte sich. Der
Partial kam langsam nach oben …
… und dann fiel eine Ratte vom Himmel.
Kira zuckte erschrocken zusammen und brauchte einen Moment, um die
Sachlage zu erfassen. Die Ratte prallte auf dem Boden auf, drehte sich und
fauchte. Kira riss ein Stück Putz aus dem Haufen, in dem sie steckte, und warf
es nach dem Tier. Als sie über sich ein Fiepen hörte, blickte sie nach oben.
Einen halben Meter über ihrem Kopf befand sich ein Absatz, der vor Ratten
wimmelte.
»Nein.«
Hinter den Ratten bewegte sich auf einmal ein Sofa und ruckte eine
Handbreit nach vorn. Zwei weitere Ratten fielen zu ihr herunter, eine landete
sogar in ihren Haaren. Sie
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