Partials 1 – Aufbruch
zögerte einen Moment. »Dünn.«
Kira fluchte. »Meinst du, er ist tot?«
»Wir wissen nichts Genaues«, erwiderte Jayden. »Der zweite Ruf kann
eine Warnung gewesen sein, dass der erste falsch war. Aber es ist ebenso gut
möglich, dass der zweite falsch war und uns verwirren soll.«
»Wenn der zweite falsch war, hätte sich doch der erste wieder
gemeldet, um uns aufzuklären«, wandte Kira ein.
»Ich habe abgeschaltet«, sagte Haru. »Wenn ein Späher aufgeflogen
ist, haben sie uns schon im Visier. Wird eine solche Information preisgegeben,
steht dahinter nur der Wunsch, unseren Standort auszumachen. Vielleicht haben
sie das Signal schon geortet. Ich weiß nicht, über welche Technik sie verfügen.«
»Aber in beiden Durchsagen kamen unsere Codes vor«, überlegte Kira.
»Es ist doch denkbar, dass beide Späher wohlauf sind. Vielleicht haben sie nur
unterschiedliche Beobachtungen gemacht oder gar unterschiedliche Häuser im
Blick.«
»Nein.« Haru schüttelte den Kopf. »Sie arbeiten schon zu lange
zusammen. Sie würden sich nicht gegenseitig so schwere Vorwürfe machen, wenn
sie nicht völlig sicher wären. Wenn der erste Ruf echt war, kann es der zweite
nicht sein, und wenn der zweite echt war, müssen wir davon ausgehen, dass der
erste eine Falschmeldung war.«
»So schnell können sie doch niemanden foltern.« Jayden richtete sich
langsam auf. »Sie können unmöglich die Codeworte herausbekommen haben, es sei
denn …« Er hielt inne. »Was ist mit … nein, das kann nicht sein, das ist
Wahnsinn.«
»Was meinst du?«, fragte Haru.
»Nichts«, wehrte Jayden ab. »Ich leide nur unter Verfolgungswahn.«
»Der ist im Augenblick aber ziemlich gesund«, meinte Kira.
Jayden schluckte, blickte zu Haru, dann wieder zu Kira hinüber. »Was
ist, wenn einer der Späher ein Partial ist?«
»Das ist nicht einmal …« Kira ließ den Satz unvollendet. Sie hatte
sagen wollen, es sei unmöglich, aber wenn es nun doch möglich war?
»Das ist lächerlich«, wandte Haru ein. »Ich kenne Nick und Steve
schon seit Jahren.«
»Kanntest du sie schon vor dem Zusammenbruch?«, fragte Jayden.
»Nein«, räumte Haru ein, »aber trotzdem. Das kann doch nicht sein.«
»Sie sehen so aus wie wir«, fuhr Jayden fort. »Wer kann sagen, ob
einige von ihnen nicht schon die ganze Zeit bei uns leben?«
Kira lehnte sich an die Wand. Die Beine drohten ihr den Dienst zu
versagen, und sie musste sich abstützen. Die Folgerungen daraus waren erschreckend,
aber die Logik … nein, es passte nicht. »Warum gerade jetzt?«, fragte sie.
»Wenn sie uns töten wollen, hätten sie das schon die ganze Zeit tun können. Was
gewinnen sie, wenn sie uns erst hier im Nirgendwo verraten?«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Jayden grob, »ich habe nur laut
nachgedacht.«
»Beruhigt euch!«, sagte Haru. »Sie sind keine Partials.«
»Dann gehören sie zur Stimme «, überlegte
Jayden. »Vielleicht haben sie Verräter eingeschleust, um die Mission zu
sabotieren.«
»Ich habe für beide gebürgt«, flüsterte Haru.
»Das meine ich doch.« Kira bemerkte, dass Jaydens Hand sich seiner
Waffe nährte. Sie befand sich zwischen den beiden Soldaten und lehnte sich an
die Anrichte. Draußen im Flur wandte sich Gabe um und verfolgte das Geschehen
ebenso erzürnt wie entsetzt.
Haru beobachtete die Bewegung von Jaydens Hand, deutete den Tonfall
richtig und fuhr auf. »Du Dreckskerl …«
»Wartet!«, stieß Kira hervor. »Dafür haben wir keine Zeit. Wenn
einer von uns ein Verräter wäre, dann hätte er uns schon vor langer Zeit
verraten und eine viel größere Wirkung erzielen können.« Sie holte tief Luft
und trat in die Schusslinie. »Da draußen lauert ein echter Feind, und wer immer
er ist, er weiß, wo er uns findet. Wenn einer der Späher umgedreht wurde, sei
es durch Folter oder etwas anderes, wissen die Feinde vielleicht schon, dass
wir in einem Apartmenthaus sitzen. Sie wissen nur noch nicht, in welchem. Das
bedeutet, dass sie näher sind, als wir glauben …«
Kira unterbrach sich und blickte zum Flur. »Was war das?« Sie
glaubte, etwas gehört zu haben, doch dann war es still. Sie griff nach dem
Gewehr.
Dann knallte draußen ein Schuss, und Gabe brach zusammen wie ein
nasser Sack. Kira schrie auf und starrte den Gefallenen schockiert an. Haru
rannte schon zur Tür, blieb jedoch ein paar Schritte davor stehen und
untersuchte den Toten. Er wandte sich um und deutete es mit den Händen an: eine
Pistole in einer Richtung, dann zeigte er in
Weitere Kostenlose Bücher