Partials 1 – Aufbruch
zusammenhingen: eines in der Nasenhöhle, die anderen in den Lungen. Kira
vergrößerte sie, rief sie nebeneinander auf den Bildschirm und betrachtete sie.
Die Gebilde wirkten fast wie Drüsen, wenngleich sie Kira nicht bekannt vorkamen.
Das Objekt in der Nasenhöhle war deutlich größer, und der Scanner hatte
inzwischen Querverbindungen zu anderen Dateien hergestellt. Kira rief die Liste
auf und arbeitete sie rasch durch. Das Ergebnis überraschte sie. Der Scanner
hatte das Organ mit sämtlichen Komponenten verbunden, die er bislang entdeckt
hatte. In jedem Lungenflügel gab es eigene kleine Drüsen, die ebenfalls
ausnahmslos mit der größten im Kopf verbunden waren.
Kira studierte die Drüse genauer, während der Scanner seine Arbeit
verrichtete. Welchem Zweck diente sie? Kira konnte den Computer auffordern,
eine Einordnung vorzuschlagen, sie konnte aber auch in der Datenbank nach
Ähnlichkeiten suchen. Sie löste die Suche aus, richtete sich auf eine längere
Wartezeit ein und betrachtete abermals das Bild. Die Ergebnisse wurden jedoch
fast sofort angezeigt: keine Übereinstimmungen. Sie runzelte die Stirn und
wiederholte die Suche. Nichts.
Dann muss ich wohl von Hand nachforschen, nahm sie sich vor. Da
jedes Partikel Bezüge zu zwei Gebilden aufwies, sprach vieles dafür, dass ein
Gebilde die Partikel erzeugte und das andere sie empfing: eine schreibende und
eine lesende Instanz. Dies bedeutete auch, dass die Partikel Informationen
transportierten. Kira startete eine weitere Suche und fragte dieses Mal nach
nicht menschlichen Fundstellen. Tatsächlich gab es im Speicher eine alte Datei
aus der Zeit vor dem Zusammenbruch, als jemand einen Hund gescannt hatte. Sie
wies den Computer an, dort nach Übereinstimmungen zu suchen. Fast sofort
öffnete sich eine Anzeige, die ein sehr ähnliches, aber einfacher aufgebautes
Gebilde zeigte. Es handelte sich um ein Jacobson-Organ.
Samm besaß ein unglaublich hoch entwickeltes pheromonisches System.
Kira rief weitere Dateien auf und las alles, was sie über Pheromone
finden konnte. Sie stellten ein einfaches chemisches Kommunikationsmittel dar,
Gerüchen nicht unähnlich, aber weitaus stärker spezialisiert. Insekten benutzten
sie für einfache Aufgaben, etwa um Spuren zu Nahrungsquellen festzulegen oder
einander vor Gefahren zu warnen. Hunde markierten damit ihr Revier und stießen
zur Paarungszeit Pheromone aus. Wozu benutzten die Partials dieses
Kommunikationsmittel?
Ich frage ihn einfach, dachte sie. »Erzähl mir etwas über deine
Pheromone!« Wie nicht anders zu erwarten, schwieg Samm sich aus. »Du hast ein
hoch entwickeltes System von Produzenten und Rezeptoren. Kannst du mir etwas
darüber sagen?«
Keine Antwort.
»Man kann’s ja mal versuchen.« Sie überlegte eine Weile, sah sich im
Raum um und öffnete schließlich den Medicomp mit dem Gummihandschuh, in den
Samm hineingeatmet hatte. Sie hielt ihn vor sein Gesicht, stach ihn mit einer
Nadel an, drückte so fest wie möglich und blies Samm die Luft unmittelbar in
die Nase. Er hustete und spuckte, riss den Kopf zur Seite, um dem Luftstrom zu
entkommen. Erstaunt sah Kira, wie er ruhiger wurde. Zuerst hatte der Herzschlag
als Reaktion auf die aufgezwungene Luft beschleunigt, dann hatte er sich
verlangsamt, als habe Samm auf irgendetwas anderes reagiert. Auf die Pheromone.
Er entspannte sich sichtlich, seine Miene wurde weicher, der Atem ging ruhiger.
Anscheinend zeigte er nun das gleiche Gesicht wie am Morgen, als er
eingewilligt hatte, in den Handschuh zu blasen.
»Kuso«, sagte er. »Das ist gemein.«
Kira stemmte die Hände in die Hüften. »Was ist passiert?«
»Du benutzt meine eigenen Daten gegen mich, und jetzt bin ich … verdammt.« Er schloss den Mund und starrte zur Decke hinauf.
»Welche Daten?«, fragte Kira. »Die Pheromone? Bezeichnest du sie als
Daten?« Sie betrachtete den leeren, schlaffen Handschuh. »Du hast mir gerade
etwas verraten, das ich nicht erfahren sollte, nicht wahr? Das hast du noch nie
getan. Es war ein Versehen. Was haben die Pheromone bei dir bewirkt?«
Samm schwieg, worauf Kira sich den Handschuh dicht vor das Gesicht
hielt und ihn genau untersuchte. Sie trat mitten in den Raum und überlegte
sich, wie es am Morgen ausgesehen hatte. Der Ganzkörperscanner da drüben, der
Tisch hier, Samm auf dem Tisch. Sie hatte ihn gebeten, in den Handschuh zu
pusten, und sie hatten einen Moment lang … eine Art Gemeinsamkeit empfunden. So
etwas wie echte Kommunikation. Sie hatte
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