Partitur des Todes
sie Eva Helberger gleich doppelt ans Messer geliefert. Ich werde das herausbekommen. Ich werde ihnen die Hölle heiß machen. Und zwar sofort.»
Marthaler war bereits auf dem Weg zur Tür und hatte seine Jacke übergezogen, als ihn Charlotte von Wangenheim zurückrief.
«Nein,Robert. Das wirst du nicht tun. Ich weiß, dass du gerne deine berüchtigte Privatfehde mit diesem Reporter austragen möchtest, aber du wirst hierbleiben. Ich möchte mit dir reden.Unter vierAugen in deinem Büro.»
Marthaler sah sie überrascht an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn jemand in seinem Furor bremsen würde. Er unternahm einen letzten Versuch: «Aber irgendjemand muss das klären. Diese Schmierfinken müssen zur Rechenschaft gezogen werden.»
«Du hast recht», sagte Charlotte von Wangenheim. «Aber ich denke, das ist jetzt dieAufgabe von Kai.» Marthaler hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt. Während er auf seine Chefin wartete, begann er unkonzentriert in dem StapelAkten zu blättern, der sogar im Lauf des Sonntags weiter angewachsen war. Es gab ein paar Telefonnotizen, die ihm Elvira hingelegt hatte, die Unterlagen aus der Gerichtsmedizin waren eingetroffen und eine Mappe mit Computerausdrucken, auf denen die neueingegangenen Hinweise aus der Bevölkerung verzeichnet waren. Irgendwann würde er sich die Zeit nehmen müssen, das alles aufzuarbeiten. Jetzt war er froh, als Charlotte von Wangenheimsein Büro betrat und er den Stapel wieder beiseiteschieben konnte.
Sie setzte sich ihm gegenüber, stellte einen leerenAschenbecher auf den Schreibtisch, zog ein Päckchen Zigaretten hervor und hielt es ihmhin.
«Willst du?»
«Danke», sagte er.
«Aber ich darf?»
«Sicher. Ich wusste nicht, dass du rauchst.»
«Tue ich auch nicht.»
«Verstehe», sagte Marthaler. «Aber manchmal eben doch. Wie so viele hier.»
Sie schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen, zögerte aber lange, sie anzustecken. Sie schaute aus dem Fenster. Marthalermerkte, dass sie mit sich haderte. Er wollte sie nicht drängen.
«Entschuldige, wenn mein Ton eben etwas scharf war. Im Grunde ist es mir egal, was du mit dem City-Express auszufechten hast. Ich wollte nur, dass du hierbleibst. Ich muss mit dir reden.»
«Schon in Ordnung», sagte Marthaler. «Wahrscheinlich ist es gut so. Wenn mirArne Grüter in die Hände geraten wäre, hätte ich bestimmt einen Fehler gemacht.»
Wieder wartete er.Aber Charlotte machte noch immer keine Anstalten, das Gespräch zu eröffnen. Erst als sie ihre Zigarette zu Ende geraucht und imAschenbecher ausgedrückt hatte, begann sie zu reden. «Es läuft nicht gut, nicht wahr, Robert?»
Er schaute sie lange an. Sie hatte ausgesprochen, was erdachte, was er aber niemals im Kreis seiner Kollegen sagen würde.
«Nein», sagte er, «es läuft nicht gut.»
«Was machen wir falsch?»
«Ich weiß es nicht.»
«Auch wenn Kerstin dir widersprochen hat, du hattest recht. Oft macht ein Mörder den entscheidenden Fehler, wenn er ein weiteres Mal zuschlägt. Oft verrät er uns dann etwas über sich, das zu seiner Ergreifung führt. Nicht aber im Fall Eva Helberger. Es klingt vielleicht komisch, aber dieser letzte Mord interessiert mich nicht.»
Marthaler runzelte die Stirn und sah seine Chefin fragend an.
«Versteh mich nicht falsch: Der Tod der Frau ist mir keinesfalls egal.Aber ich habe den Eindruck, es bringt uns nichts, wenn wir uns mit den Einzelheiten dieser Tat auseinandersetzen.Auch deshalb wollte ich nicht, dass du dich jetzt mit demCity-Express beschäftigst.»
Marthaler verstand, was sie meinte.
«Ich möchte, dass du dich aus den laufenden Ermittlungen ausklinkst», sagte sie.
«Wie stellst du dir das vor?Alle arbeiten bis zumAnschlag. Und nach dem Mord an Eva Helberger geht der ganze Marathon von vorne los. Klinken putzen bei der Nachbarschaft, Hinweise aus der Bevölkerung bearbeiten, die Ergebnisse der Spurensicherung auswerten. Ob wir wollen oder nicht, die Arbeit muss erledigt werden…»
«Genau deshalb möchte ich, dass du dich aus der Routine raushältst.»
«Was du Routine nennst, muss getan werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir nur so zu Ergebnissen kommen. Es ist unter anderem der Fleiß, derirgendwann zum Erfolg bei den Ermittlungen führt.»
«Robert, das weiß ich alles. Es ist dieselbe Predigt, die ich oft gehört und oft gehalten habe. Dennoch müssen wir uns etwas einfallen lassen.»
«Aber neue Ideen werden nicht in der Luft geboren. Sie entstehen bei derArbeit oder
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