Partitur des Todes
aber man hört nur Gutes.Allerdings ist es wohl nicht ganz billig.»
Monsieur Hofmann bedankte sich. Dann machten sich die beiden Alten auf den Weg.
«Na, das ist aber wirklich hübsch. Das nehmen wir», sagte er, als sie vor dem freundlich wirkenden, schmalen Bürgerhaus standen.
«Erst erkundigst du dich nach den Preisen», ermahnte ihn Mademoiselle Blanche. «Geh rein und frag. Ich warte so lange hier.»
Er betrat die kleine Eingangshalle, nahm seinen Strohhut ab und näherte sich der Rezeption, hinter der ein stämmiger dunkelhaarigerMann saß.Als dieser ihm die Zimmerpreise nannte, bekam Monsieur Hofmann einen Schrecken. «Ich will Ihnen nicht zu nahe treten», sagte er.«Aber dafür würden wir in Paris ja fast eine Woche im Hotel wohnen können.»
Der Mann hob die Brauen. «Es ist immer dasselbe mit euch Franzosen. Ihr seid verwöhnt. Eure Hotelpreise sind zu niedrig. Dafür kriegen Sie bei uns aber auch ein Frühstück, das den Namen verdient.Also?»
«Also:ja! Wir nehmen das Zimmer. Bekommen wir bei Ihnen auch ein Abendessen?»
«Leider nein.Aber es gibt genügend Restaurants in der Nähe.»
Monsieur Hofmann ging zurückzum Eingang und winkte Mademoiselle Blanche durch die geschlossene Glastür zu.
«Und?», fragte sie.
«Geschenkt ist es nicht», erwiderte er. «Aber du bist es mir wert.»
Als sie das Zimmer betraten, klatschte Mademoiselle Blanche vor Begeisterung in die Hände. «Aber das ist ja ein kleiner Salon», rief sie aus. Sie setzte sich auf den Rand des Bettes und wippte kurz auf und ab. «Als ich jung war, habe ich mir immer vorgestellt, in einem solchen Hotelzimmer meine Hochzeitsnacht zu verbringen.»
«Dannwird es ja Zeit, dass wir diesen Traum endlich wahr machen.»
«Ah, mein kleiner Schwerenöter, komm, lass dich küssen.» Sie zog ihn neben sichaufs Bett und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
«War das schon alles, was du dir unter einer Hochzeitsnacht vorstellst?», fragte er.
«Erst wird gegessen, dann sehen wir weiter.»
Tereza hatte gerade den Terminal 1 des Frankfurter Flughafens verlassen und schaute sich nach einem Taxi um, als sie einen kleinen Schreck bekam. Jemand hatte sich ihr von hinten genähert und hielt ihr die Augen zu. «Keine Angst!», sagte eine Männerstimme, die ihr bekannt vorkam, die sie aber nicht sofort zuzuordnen wusste. «Keine Angst, Tereza, es ist nur ein Schmetterling.» Tereza überlegte kurz, dann ließ sie ihre Tasche fallen und drehte sich lachend um. «Ludwig? Ich kann nicht glauben!», rief sie aus. «Ein Schmetterling auf Flughafen.» Vor ihr stand ein schlaksiger Mann mit braunem Haar, der ihr beideArme zur Begrüßung entgegenstreckte. Sie tauschten zwei Wangenküsse aus, dann sahen sie sich
lange prüfend an.
Vor zehn Jahren waren sie einander in Prag begegnet, als Tereza gerade mit ihrem Studium der Kunstgeschichte begonnen und Ludwig Dormann zwei Gastsemester auf derAkademie absolviert hatte. Schnell war der junge Mann zum Schwarm der Studentinnen geworden, hatte aber, egal, wie oft er seine Liebschaften wechselte, immer beteuert, dass er eigentlich nur Terezabegehre. Diese hatte seine Freundschaft zwar genossen, seine weiterzielenden Avancen aber stets mit einem Lachen abgewehrt. Sie wolle nicht, hatte sie gesagt, eine der zahllosen Blüten sein, die ein nimmersatter Schmetterling umflattere, bevor er kurz darauf die nächste anfliege. So waren sie eine Zeit lang ein unzertrennliches Freundespaar geblieben, ohne je das Bett geteilt zu haben. Doch so rasch sie amAnfang Vertrauen zueinander gefasst hatten, so schnell hatten sie einander am Ende aus den Augen verloren. Ludwig war nach Boston gegangen, Tereza nach Frankfurt gezogen, und mehr als ein paar Postkarten waren nicht gefolgt auf den innigen Rausch ihrer Prager Studienzeit. «Aus den Augen, aus dem Sinn» – als Tereza diese Redewendung in Deutschland zum ersten Mal gehört hatte, hatte sie sofort an Ludwig Dormann denken müssen.Aber jetzt stand er vor ihr, und es war, als seien sie nicht einen Tag getrennt gewesen.
«Weißt du, dass ich letzte Nacht von dir geträumt habe?», fragte Ludwig und schaute sie treuherzig an.
Tereza verdrehte die Augen und schüttelte lächelnd den Kopf. «Du lügst», sagte sie. «Aber du lügst noch immer charmant. Erzähl! Was suchst du hier?»
«Ich wohne seit drei Monaten in Frankfurt. Ich bin zum stellvertretenden Direktordes Museums Giersch berufen worden. Und du errätst nicht, was ich hier habe…»
Er bückte sich und griff nach
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