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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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war ein großer, halbovaler Saal, dessen hohe Fenster einen Blick auf jenen Teil des Campus zuließen, wo sich ein künstlich angelegter See und ein Wasserfall befanden, hinter denen sich das Gebäude des sogenannten Casino erhob, in dem früher dieAngestellten der Konzernverwaltung gegessen hatten und wo sich jetzt die Mensa des Studentenwerks befand.
    Marthaler schaute sich um. Sämtliche Tische der Cafeteria waren belegt. Die Türen zum Park hin waren geöffnet, und überall aufden Mauern und Bänken rund um den See saßen junge Frauen und Männer in der Sonne, lasen in ihren Büchern, machten sich Notizen oder plauderten miteinander. Für einen Moment fühlte er sich zurückversetzt in seine Marburger Jahre, als er an ebensolchen Vormittagen im Frühjahr mit Katharina am Lahnufer auf einer Decke gesessen hatte, als sie Hand in Hand durch die Gassen derAltstadt gelaufen waren, anschließend ihre Vorlesungen besucht hatten, um später in der Bibliothek an verschiedenen Tischen zu sitzen, so zu tun,als würden sie einander nicht kennen und sich dann doch mit gespielter Verschämtheit zuzulächeln.
    «Was ist,Alter?», fragte Sabato. «Träumst du von der Wiederauferstehung Eintracht Frankfurts oder vom ersten Tag, an dem du den Kinderwagen durch die Fußgängerzone schiebst?»
    Marthaler grinste. Dann stand er auf und half Bernd Meissner, das Tablett abzustellen.
    DerArchivar schaute den Kriminaltechniker an. «Sabato ist Ihr Name, nicht wahr?Kann es sein, dass ich Ihren Vater einmal kennengelernt habe? Vor vielen Jahren habe ich im Spanischen Kulturverein einen Vortrag gehört. Es ging um ‹Pablo Picasso und den Widerstand gegen Franco›.Heißt Ihr VaterAlejandro?»
    «Natürlich, das war er», sagte Sabato. «Er hat Picasso so sehr geliebt, wie er Franco gehasst hat. Ja, er hieß Alejandro. Er ist voriges Jahr in einem Altersheim gestorben.»
    «Das tut mit leid», sagte Meissner. «Ich weiß noch, wie sehr mich die Sprache Ihres Vaters beeindruckt hat. Er verwendete ganzeinfache Sätze, ohne dass dabei jemals einfache Wahrheiten herauskamen.»
    Die beiden Männer wechselten einen Blick. Binnen weniger Minuten hatte sich zwischen ihnen ein stummes Einverständnis entwickelt. Marthaler wusste nicht einmal, was es war, das die beiden verband.Aber er merkte, dass er es gerne mit ihnen geteilt hätte.
    «Aber Sie sind nicht hier, um über Malerei mit mir zu sprechen. Sie werden verstehen, dass ich neugierig bin auf das, was Sie mitgebracht haben…»
    «Warum eigentlich?», fragte Marthaler. «Warum sind Sie so brennend interessiert an diesenAufzeichnungen?»
    Bernd Meissner sah den Hauptkommissar an, als offenbare dessen Frage ein Maß anAhnungslosigkeit, mit dem er nicht gerechnet hatte. «Nun, weil die Zeugen, die wir noch befragen können, bald alle tot sein werden. Weil es nicht mehr oft passiert, dass Originalmanuskripte aus den Lagern auftauchen. Weil jedes neue Dokument uns der Wahrheit näherbringt… Und weil immer wieder, wie auch heuteMorgen,Angehörige der Opfer zu uns kommen, die wissen wollen, wasmit ihren Eltern, Großeltern oder Geschwistern geschehen ist. Je mehr Informationen wir haben, desto eher können wir ihnen helfen.»
    «Sagt Ihnen der Name Dr.Niehoff etwas?», fragte Marthaler.
    Für den Bruchteil einer Sekunde sah es so aus, als würde derArchivar mitten in der Bewegung erstarren. Er hatte gerade seine Kaffeetasse zum Mund führen wollen, jetzt stellte er sie, ohne getrunken zu haben, zurück auf den Tisch.
    «Allerdings», antwortete er. «Allerdings sagt mir der Name Dr.Niehoff etwas. Ich habe mir, kurz bevor Sie gekommen sind, seineBiographie nochmal angeschaut.»
    «Dann helfen Sie uns», sagte Sabato. «Erzählen Sie uns, wer dieser Mann war.»
    «Horst Niehoff, 1916 in Pirna geboren, Vater Polizist, Mutter Krankenschwester. Die Eltern trennen sich, als er drei Jahre alt ist. Wächst bei einer kinderlosen Tante in Dresden auf, die den Jungen fördert, wo sie kann. Er studiert Medizin, tritt in die NSDAP ein, wird bald auch Angehöriger der SS.Ferdinand Sauerbruch und der Reichsforschungsrat unterstützen den jungen Mediziner, der Ende 1943 als Lagerarzt nach Auschwitz-Birkenau kommt. ImAuftrag Heinrich Himmlers versucht er, Häftlinge mittels Röntgenstrahlung zu sterilisieren. Es kommt zu zahlreichen Verbrennungen und Todesfällen. Er nimmt an vielen Selektionen teil und entwickelt ein großes Interesse an Menschenversuchen allerArt. Zeichnet sich durch seine völlige

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