Partitur des Todes
hatte geglaubt, kurz vor dem großen Durchbruch zu stehen. NachAussagen seiner Kollegen galt der alte Mann als jemand, «dessen Eitelkeit seine Kompetenz bei weitem überstieg».
Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter hatten sich auf eine neuerliche Durchsuchung der Sabana GmbH in Kronberg verständigen können. Dass die drei Geschäftsführer untereinander zerstritten waren, erwies sich als Vorteil bei den Vernehmungen. Einer von ihnen legte schließlich ein Geständnis ab und belastete die beiden anderen schwer. Tatsächlich hatte die Firma illegalen Waffenhandel im großen Stil betrieben. Während des Jugoslawienkrieges hatte Pavelic als Unterhändler für Sabana gearbeitet und dabei an alle Konfliktparteien große Mengen von Kriegswaffen vermittelt.
In den Dateien der Kronberger Firma war Oliver Frantisek auf den Namen und die Adresse von Stipe Pavelic gestoßen. Was dann geschehen war, konnten die Vermittler nur vermuten. Sie nahmen an, dass ihr Kollege Pavelic beschattet hatte und so auf die Spur von Dr.Niehoff und nach Wiesental gelangt war. Dabei war er wahrscheinlich von Pavelic entdeckt und überwältigt worden, was ihn schließlich das Leben gekostet hatte.
In einem Punkt hatte Niehoff recht gehabt: Stipe Pavelic war nicht der perfekte Profi gewesen, für den er sich selbst und für den ihn auch die Ermittler eine Zeit lang gehalten hatten. Dass er mit dem blauen VW California durch die Gegend gefahren war, hatte sichals ein Fehler erwiesen, der ihm letztlich zum Verhängnis geworden war.
Dass ihm Barbara Pavelic am Ende die ganze Wahrheit gesagt hatte, bezweifelte Marthaler. Trotzdem würde es schwer sein, ihr eine Mitwisserschaft bei den Gewaltverbrechen nachzuweisen. Wenn sie bei ihrer Version der Geschichte blieb, würde sie wohl ohne Strafe davonkommen. Marthaler klappte dieAkten zu, blieb noch eine Weile an seinem Schreibtisch sitzen und schaute auf das Ölbild, das an der Wand gegenüber hing und das ihm Tereza zu Weihnachten geschenkt hatte. Es stammte von einem unbekannten Maler aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Es zeigte die Rückseiten einiger kleiner Häuser, die schneebedeckten Gärten dahinter mit ihren Kaninchenställen und den kahlen Bäumen.Alle Bewohner, so schien es, hatten sich vorder Trostlosigkeit dieses grauen Tages in ihre Behausungen geflüchtet.Aber auf einer Wäschestange wehte ein rotes Laken. Und dieses farbige Stück Stoff kam Marthaler immer wie ein Zeichen vor, dass die Zeiten sich ändern würden, dass auch nach jenem Winter bald ein Frühling kommen und die Welt inein freundlicheres Licht tauchen würde.
Er stand auf, zog seine Jacke über und öffnete die Tür zuseinem Vorzimmer. Elvirasaß vor ihrem Bildschirmund tippte auf der Tastatur.Als sie ihn kommen hörte, hielt sie kurz inne, schaute über die Schulter und lächelte ihm zu. «Wie geht’s dir?», fragte sie.
«Danke. Wenn jemand was von mir will, sag, dass ich in zwei Stunden… nein, sag einfach, dass ich weg bin.»
Auf dem Gang begegnete ihm Sabato. Sie hatten sich seit Tagen nicht gesehen.Auch der Kriminaltechniker hatte sich in dieAbgeschiedenheit seines Kellerverlieses zurückgezogen.
«Robert, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt… Du glaubst nicht, was passiertist.»
«Na, komm», sagte Marthaler, «spuck’s aus!»
«Irgendwer hat am Dienstag meinenAutoschlüssel aus dem Labor gestohlen und ist mit meinem Volvo davongefahren.»
«Das ist nicht dein Ernst.»
«Wenn ich’s dir sage.»
«Die Welt wird wirklich immer dreister», sagte Marthaler.
«Aber pass auf, es kommt noch besser.Als mich Elena am nächsten Morgen ins Weiße Haus gefahren hat,stand der Wagen wiedervor der Tür, und der Schlüssel hing am Brett.»
«Das gibt’s nicht.Aber du weißt, dass mir vor Jahren was Ähnliches passiert ist. Man hat mein Fahrrad vom Hof des alten Präsidiums geklaut, dann hat es der Dieb ein paar Tage später in demoliertem Zustand wieder an derselben Stelle abgestellt. Ich hoffe, dein Volvo…»
«Nichts, kein Härchen hat man ihm gekrümmt. Und vollgetankt war er auch. Unglaublich, oder?»
«Wirklich», sagte Marthaler, «Sachen gibt’s…» Marthaler schloss gerade sein Fahrrad vor dem Eingang des Sankt-Katharinen-Krankenhauses ab, als er hinter sich eine Frauenstimme hörte.
«Ah, der sympathische Kriminalpolizist, der nicht mit Komplimenten umgehen kann.»
Er drehte sich um und schaute die Frau verständnislos an. Endlich erkannte er, dass es die junge
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