Partitur des Todes
niemand.Aber einer der Museumsleute hat erzählt, dass gestern zwischen 18.00Uhr und 18.30Uhr ein Fotoshooting in der Nähe von Sultans Imbiss stattgefunden hat. Wir konnten den Fotografen ausfindig machen.»
Wieder folgte eine Pause.
«Gut. Und weiter?», mahnte Kerstin Henschel.
«Er war gerade dabei, die Fotos zu entwickeln», sagte Horst Becker. «Wir haben sie uns angeschaut. Es ist ein Mann zu sehen, aber er wendet sich ab. Er ist nicht zu erkennen. Es sieht so aus, als habe er darauf geachtet, dass sein Gesicht nicht fotografiert wird.»
«Trotzdem brauchen wir diese Fotos», sagte Marthaler.
«Wir bekommen sie morgen Vormittag.»
«Gut. Sonst noch was?»
«Das Ganze hat uns auf eine Idee gebracht», sagte Delius.
«Nämlich?»
«Sicher gab es außer unserem Fotografen noch viele andere Leute, die an diesem Nachmittag geknipst oder gefilmt haben. Wir dachten, man sollte die Zeitungen bitten, einen Aufruf zu veröffentlichen, dass diese Bilder und Filme bei uns abgeliefert werden, sodass wir sie dann sichten können. Vielleicht haben wir Glück, und es ist etwas dabei.»
«Ja», sagte Marthaler, «eine gute Idee. Nur leider ist die Pressekonferenz sicher seit zwei Stunden zu Ende.Es ist zu spät, um diese Bitte an die Journalisten weiterzugeben.»
Wieder schauten sich die beiden an. Nun lächelten sie.
«Das haben wir in die Wege geleitet. Wir haben Charlotte von Wangenheim gebeten, das zu tun. Sie wolltesich darum kümmern. Sie hat auch gesagt, dass heute Nacht noch die TechnischeAbteilung ins Haus kommt, um hier im ersten Stock eine Zentrale einzurichten, wo die Hinweise aus der Bevölkerung gesammelt werden sollen. Die Telefone im Präsidium stehen wohl schon jetzt nicht mehr still.»
«Sehr gut», sagte Marthaler. «Wenn es sonst nichts mehr gibt, lasst mich noch berichten, was ich heute getan habe.»
Er stand auf, ging erneut an die Tafel und schrieb zwei weitere Namen auf:
Joachim Morlang/Barbara Pavelic
Dann erzählte er, wie er den Namen des fünften Todesopfers herausgefunden hatte. Obwohl die Konzentration unter den Ermittlern im Verlauf der letzten Stunde erheblich nachgelassen hatte, hörten jetzt alle wieder aufmerksam zu.Als er von der Beziehung des ehemaligenAnwalts und der Tänzerin erzählte, war die Spannung im Raum fast körperlich zu spüren.
«Morlang scheint sich für keine Gaunerei zu schade gewesen zu sein. Wir müssen herausfinden, welche Geschäfte er in den letzten Wochen gemacht hat, mit wem er Kontakt hatte. Ich habe Schilling gebeten, ein paar seiner Leute zu schicken, die das Haus in Petterweil auseinandernehmen sollen. Ich hoffe, dass das heute Abend geschehen ist. Mit ein wenig Glück haben wir morgen die ersten Ergebnisse.»
«Der Name Pavelic kommt mir bekannt vor», sagte Sven Liebmann. «Kann es sein, dass wir mal einen Kunden hatten, der so hieß?»
«Ja. Wir hatten vor Jahren einen Stipe Pavelic am Haken.Wir wollten ihn wegen Mädchenhandels und fahrlässiger Tötung drankriegen. Wir mussten ihn laufenlassen. Es dürfte sich mit einiger Sicherheit um den Ex-Mann unserer Tänzerin handeln…Aber es gibt noch etwas anderes, was ich euch erzählen muss. Barbara Pavelic erwähnte, dass Morlang gestern Abend auf Önals Boot verabredet war. Mit einer Frau. Sie sagte, er wollte sich dort mit einer Französin treffen.»
Niemand rührte sich. Es herrschte völlige Stille.Alle schauten Marthaler erwartungsvoll an.
«Was ist? Seid ihr eingeschlafen? Mehr weiß ich nicht. Joachim Morlang war mit einer Französin verabredet. Das ist alles.»
Schließlich ergriff Kerstin Henschel das Wort: «Aber Robert, ist dir klar, was du sagst? Damit hätten wir womöglich das letzte Teil von unserem Puzzle. Die Französin ist die Frau, die mit Morlang am selben Tisch gesessen hat. Von der wir bislang nichts hatten als ihr Besteck und ein paar Spuren von Lippenstiftan ihrem Glas. Das hat mir Schilling am Nachmittag bestätigt. Die Frau ist verschwunden. Zurückgeblieben sind fünf Tote und ein Schwerverletzter. Möglicherweise haben wir mit ihr eine Verdächtige.»
«Und damit eine schwere Belastung der deutsch-französischen Freundschaft», sagte Sabato.
Für einen Moment entlud sich die Spannung in einem Lachen. Selbst Oliver Frantisek konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Und wieder hatte Marthaler den Verdacht, dem Mann Unrecht getan zu haben. Zumal er vorhin beobachtet hatte, dass Frantisek, bevor er anfing zu essen, die Augen geschlossen, die Hände gefaltet und
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