Partitur des Todes
Frage ein. Offensichtlich waren sie froh, über etwas reden zu können, das nicht allein auf Spekulationen beruhte. Marthaler sah Carlos Sabato an.Aber der zuckte entschuldigend mit den Schultern.
«Was meint ihr, warum ich euchWurst und Käse spendiert habe? Weil ich sonst nichts bieten kann. Einer von Schillings Leuten hatmir vorhin die Patronenhülsen vorbeigebracht. Ich habe sie mit allemverglichen, was ich kenne. Es gibt keine Übereinstimmungen. Ich habe eine solche Munition noch nie gesehen. Ich habe nicht den Hauch einerAhnung, aus was für einer Waffe sie abgefeuert wurde.»
Es warSabato anzumerken, wie unangenehm ihm sein Eingeständnis war. Er zog einen kleinen Plastikbeutel aus seiner Jackentascheund legte ihn auf den Tisch. Sven Liebmann schaute sich die Hülsen an, dann schüttelte er den Kopf und reichte sie weiter.Auch die anderen waren ratlos. Niemand schien eine Vorstellung zu haben, zu welcher Art Waffe sie gehörten.
Am längsten schaute sich Oliver Frantisek dieAsservatean. Er öffnete den Beutel, dann zögerte er und sah in Sabatos Richtung: «Darf ich?», fragte er.
Sabatosignalisierte Zustimmung. Frantisek nahm eine der Hülsen heraus, studierte sie nochmals eingehend, dann hielt er sie hoch und zeigte sie herum.
«Hier», sagte er, «seht ihr: eine haarfeine Linie. Die Munition stammt aus einer Desert Eagle. Aus der Mark VII mit dem Sechs-Zoll-Lauf. Es gibt keinen Zweifel.»
«Ich kenne die Mark VII», erwiderte Sabato. «Trotzdem habe ich niemals solche Patronenhülsen gesehen.»
«Stopp!», sagte Marthaler. «Wir sind keine Waffenexperten. Erklärt uns also, wovon ihr sprecht. Und erklärt es bitte so, dass es alle verstehen.»
Sabato nickte. «Die Desert Eagle ist eine halbautomatische Pistole, die seitAnfang der achtziger Jahre von einer israelischen Firma gebaut wird.Anfang der Neunziger hat Magnum eine Lizenz gekauft und stellt sie seitdem in den USA her. Die Mark VII ist eines der drei Modelle, die es von der Desert Eagle gibt. Obwohl sie als Dienstwaffe für den Polizeieinsatz eigentlich zu schwer und zu groß ist, sieht man sie immer wieder in amerikanischen Fernsehserien. Warum sich unser großer Kollege allerdings so sicher ist, dass es sich dabei um die Tatwaffe handelt, muss er euch selbst erläutern.»
«Okay», sagte Oliver Frantisek.«Im Jahr 2001 wurde eine Spezialedition der Mark VII aufgelegt. Zwei amerikanische Ingenieure haben sie entwickelt und ihr eine eigene Signatur verpasst. Die beiden Männer heißen Wexler und Wayne. Sie haben den Lauf ein wenig verändert und ihr eine spezielle Munition mitgegeben. Dadurch hat sich die Durchschlagskraft noch einmal erhöht. Dass eine Patrone aus der Wexler & Wayne abgefeuert wurde, lässt sich unter anderem an dieser haarfeinen Einkerbung aufder Hülse erkennen. Die Linie ist wie eine Art Tätowierung, vollkommen unverwechselbar.»
Die anderen schauten Frantisekmit großen Augen an. Zum ersten Mal schien ihr Misstrauen einerArt Bewunderung zu weichen. Kerstin Henschel zwinkerte Frantisek aufmunternd zu, was dieser mit einem dankbaren Blick quittierte.
«Gut», sagte Marthaler. «Das sind endlich einmal erfreulich exakte Informationen. Die Frage ist nur, ob wir sie für unsere Ermittlungen nutzen können. Werden wir dadurch Rückschlüsse auf den Täter ziehen können?»
«Ich denke, es ist ein erster Schritt», sagte Frantisek. «Diese spezielle Version der Desert Eagle ist lediglich in einerAuflage von eintausend Stück gebaut worden. AchthundertExemplare blieben auf dem amerikanischen Markt. Zweihundert hat die MILAD bestellt; das ist dieAntidrogen-Einheitder französischen Nationalpolizei.Allerdings sind sie dort nie angekommen. Der Transport wurde im März 2002 auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt von Paris überfallen. Dievollständige Ladung wurde samt Munition geraubt und ist seitdem verschwunden. Bei dieserAktion starben zwei Sicherheitsbeamte. Die Täter konnten unerkannt entkommen. Die Großfahndung blieb ohne Ergebnis. Soweit ich weiß, ist die Sache nie aufgeklärt worden.»
«Aber es muss doch Spuren, Hinweise, Zeugen gegeben haben», sagte Sven Liebmann. «Irgendwo müssen die Waffen doch gelandet sein.»
«Ja. Man müsste sich erkundigen. Man müsste sich die Liste der Verdächtigen nochmal anschauen. Dass es sich bei der unbekannten Frau vom Boot um eine Französin handelt, wird wohl ein Zufall sein…»
«Oder auch nicht», sagte Marthaler. «Egal.Auf jeden Fall sollten wir umgehend mit den
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