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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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ein stilles Gebet gesprochen hatte.
    «Damit wäre der Mann auf der Bank aus dem Schneider», sagte Kai Döring.
    Sven Liebmann schnaubte. «Das könnte dir so passen»,gab er zurück. Eine Bemerkung, die nicht alle im Raum verstehen konnten und die Liebmann schnellversuchte zu überspielen, um seinen Kollegen nicht in Verlegenheit zu bringen: «Nee, Leute, ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass die Morde das Werk einer Frau waren.»
    «Und warum nicht?», fragte Kerstin Henschel. «In der Kriminalgeschichte hat es immer wieder Mörderinnen gegeben, die genauso kaltblütig getötet haben wie die Männer. Denkt an die Belgierin MarieAlexandrine Becker. Ich glaube, es waren elf Opfer. Oder Marianne Nölle, der ‹Todesengel von Köln›: sieben Tote. Dann diese Kanadierin, die zusammen mit ihrem Mann mehrere Mädchen entführt und vergewaltigt hat. Wie hieß sie noch…?»
    «Kerstin, Gnade! Wir glauben dir, dass es Frauen gibt, die den brutalsten Männern an Brutalität nicht nachstehen.Aber erspar uns jetzt weitere Beispiele.»
    «Okay, aber vielleicht hat Kai ja sogar recht, und dieser Mann auf der Bank ist ein Hirngespinst, auf das wir uns gerne eingelassen haben, weil wir nichts haben, weil er unser Strohhalm ist. Die Wahrheit ist: Wir schwimmen mal wieder. Wir stochern im Nebel. Nennt es, wie ihr wollt.»
    Marthaler merkte, dass er gegensteuern musste. Er wollte nicht, dass sich schon jetzt, amAnfang ihrer Ermittlungen, Resignation breitmachte.
    «Wir haben gerade mal die erste Runde unserer Befragungen hinter uns», sagte er. «Wir haben eben erst an der Oberfläche gekratzt. Dafür haben wir schon eine ganze Menge. Immerhin gibt es einige mögliche Motive. Lasst es uns einmal durchspielen: Erkan Önal hat vielleicht doch etwas mit demHeroin zu tun, das Schilling auf dem Boot gefunden hat. Zweite Möglichkeit: Michael Helmbrecht sah sein Erbe gefährdet. Dritte These: Bei Gottfried Urbans Frau könnte es Eifersucht gewesen sein. Bei Joachim Morlang wissen wir es noch nicht.Aber auch Barbara Pavelic zieht einen Nutzen aus dem Tod ihres Lebensgefährten. Malehrlich, das istnicht wenig, wenn man bedenkt, dass das Verbrechen vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden geschehen ist.»
    Die anderen schwiegen. Marthalers Worte schienen sie wenig beeindruckt zu haben. Endlich ergriff Sven Liebmann das Wort:
    «Robert, es ist nett, dass du uns aufmuntern willst. Du hast ja auch recht: Wenig ist das nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Mir ist das alles schon jetzt zu viel. Vor allem: Mir ist das alles zu dünn. Ich habeAngst, dass wir uns verlieren. Die Motive, die du genannt hast, sind Motive für einen Mord.Aber eben für einen, nicht für fünf. Nicht für ein solches Verbrechen. Das passt nicht zusammen.»
    «Walter Schilling ist überzeugt, dass dort gestern Abend etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Da ist etwas passiert, was nicht geplant war. Vielleicht sollte nur einer der fünf sterben. Das Ganze ist eskaliert.»
    «Und was, wenn es doch so war, wie der City-Express geschrieben hat? Wenn es ein Amoklauf war? Wenn der Täter es auf niemanden persönlich abgesehen hatte? Oder im Gegenteil auf alle? Wenn er irgendeine Wut in sich hatte, die er loswerden wollte?» Es war Horst Becker, der die Fragen gestellt hatte. Unsicher schaute er sich um. Er hatte Angst, sich mit seiner These zu weit vorgewagt zu haben. Marthaler wartete ab, was passierte.
    Als niemand reagierte, meldete sich Kurt Delius zu Wort: «Und was würde das ändern?»
    «Alles», sagte Becker. «Wir kämen nicht weiter mit unseren Ermittlungen im Umfeld der Opfer, weil der Täter sie gar nicht kannte. Und wir müssten damit rechnen, dass er versucht, an einem anderen Ort wieder zu töten. Das ist die Frage, die sich die Zeitungsleute stellen: ‹Wann schlägt derIrre wieder zu?›»
    «Entschuldige, Horst, aber das ist Unsinn», sagte Delius. «Er hat gerade so viele Kugeln benutzt, wie er unbedingt brauchte. Da hat niemand wild um sich geschossen. Der Mann hat seine Tat ebenso effizient wie ökonomisch ausgeführt.»
    «Oder die Frau», sagte Kerstin Henschel.
    «Oder die Frau.»
    «Ich denke, Kurt hat recht», schaltete sich nun Sven Liebmann ein. «Da war nicht die Spur eines Affektes. Der Kerl hat keines seiner Opfer gehasst. Er hat geschossen, um sie zu töten. Ohne jedes Gefühl von Rache oder Wut. Ohne irgendein Gefühl.»
    «Was ist eigentlich mit der Tatwaffe? Gibt es schon irgendwelche Erkenntnisse?»
    Sofort stiegen die anderen auf Kai Dörings

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