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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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ihn angrinsten. Sie warteten nur darauf, dass er zu seiner Predigt ansetzte.Also winkteer ab und schrieb stattdessen Michael Helmbrechts Namen an die Tafel. «Okay», sagte er, «person of interest . Wir werden uns den Kerl näher ansehen.Aber jetzt machen wir erst mal weiter. Was ist mitdem Staatssekretär und seiner Begleiterin? Hat sich darum schon jemand gekümmert?»
    Von Oliver Frantisek kam ein fast unmerkliches Nicken.Als er anfing zu sprechen, tauschten die restlichen Kollegen erstaunte Blicke. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass sie ihn bislang noch kaum hatten reden hören. Seine Stimmlage war deutlich höher, als sein Körperbau erwarten ließ. Hätten sie ihn nicht gesehen, sie hätten glauben können, es spräche eine Frau zu ihnen. Es war, als hörte man einen Bären mit der Stimme einerAmsel. Marthaler hoffte, dass niemand anfangen würde zu lachen. Frantiseks Bericht kam im Telegrammstil.
    «Susanne Melzer und Gottfried Urban. Ich habe die Kolleginnen und Kollegen der beiden im Innenministerium befragt. Kaum ein Zweifel, dass sie ein Verhältnis hatten. Und zwar seit so vielen Jahren, dass er schon wieder die Nase voll von ihr hatte. Susanne Melzer hatte für letzte Nacht ein Doppelzimmer imMarriott in der HamburgerAllee gebucht.
    Die beiden sind am Nachmittag getrennt voneinander dort angekommen, haben ihr Gepäck aufs Zimmer gebrachtund haben dann wohl miteinander geschlafen.»
    «Und unser Superbulle saß auf der Bettkante, oder wie dürfen wir uns das vorstellen?», fragte Kai Döring.
    Oliver Frantisek schaute nicht einmal in Dörings Richtung, sondern fuhr ungerührt mit seinem Bericht fort: «LautAussagen des Hotelpersonals hing etwa eine Stunde lang ein ‹Bitte-nicht-stören›-Schild an der Zimmertür.Anschließend hat Gottfried Urban das Hotel wieder verlassen. Ich habe den Taxifahrer ausfindig gemacht, der ihn ins Bahnhofsviertel gefahren hat. Urban habe ihm gesagt: ‹Madame Etepetete hab ich hinter mir, jetzt brauche ich noch was Dreckiges von der Straße.›»
    «Das soll Urban geäußert haben? Wörtlich?»
    «So hat es der Taxifahrer wiedergegeben. Er hat vor dem Bordell in der Elbestraßegewartet, dann hat er Urban zurück ins Marriott gebracht. Mit Urbans Frau habe ich gesprochen; sie schien alles zu wissen – oder zumindest zu ahnen. Hat sich arrangiert, wirkte keineswegs unglücklich. Die beiden hatten seit Jahren getrennte Schlafzimmer, sind aber auf allen Empfängen gemeinsam aufgetaucht und auch zusammen in Urlaub gefahren – gelegentlich mit der Familie des Innenministers, wie wir wissen.»
    «Und was ist mit derAssistentin?»
    «Über Susanne Melzer gibt es nichts. Sie hat zehn Stunden am Tag gearbeitet und sich dann in ihrer Wohnung verkrochen. Keine Freunde, wenig Bekannte,engere Verwandtschaft nicht vorhanden. Sie hatte eine Katze, die jetzt in der Nachbarschaft untergebracht ist. IhreArbeit und der Staatssekretär waren ihr Lebensinhalt. Ein trauriges, kurzes Leben. Das ist alles, was ich habe.»
    Marthaler konnte seine Bewunderung nicht verhehlen. Oliver Frantisek hatte innerhalb kürzester Zeit so viele Informationen über den Staatssekretär und dessen Assistentin zusammengetragen wie nur möglich. Und er hatte einen äußerst präzisen Bericht darüber abgeliefert.Allerdings hatte er kein einziges Mal in die Runde geschaut. Während der ganzen Zeit hatte sein Blick auf der Tischplatte geruht.
    Marthaler begann an seiner Einschätzung des Kollegen zu zweifeln. Vielleicht war Frantisek gar kein hochmütiger, vielleicht war er sogar ein scheuer, unsicherer Mensch, dem die Rolle, die ihm seine Vorgesetzten zugedacht hatten, nicht behagte.
     

Fünfzehn
    Plötzlich hörten sie vom Gang eine laute Stimme. Kurz darauf öffnete Carlos Sabato die Tür und hob einen riesigen, gusseisernen Schmortopf in die Höhe.
    «Platz da», rief er, «hier kommt Futter für die Gendarmen.»
    Er stellte den Bräter in die Mittedes Tisches und nahm den Deckel ab. Sofort breitete sich der Geruch gebratener Würste im Besprechungszimmer aus.
    «Die hat Elena gerade gebracht. Chorizo bis zumAbwinken, in Sidra gedünstet! Und für die Vegetarier gibt’s einen Laib Manchego.»
    Sabato ging erneut auf den Gang und kam kurz darauf mit Brot, Käse und Oliven zurück. Dann brachte er noch vier Flaschen spanischen Apfelwein.
    Alle schienen aufzuatmen. Die Unterbrechung, die der Kriminaltechniker ihnen bescherte, kam zur rechten Zeit. Marthaler spürte, wie er sich ein wenig entspannte. Carlos Sabato

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