Partitur des Todes
an. «Und? Wie fühlt man sich?»
«Wie soll ich mich fühlen?»
«Na komm, jetzt tu nicht so! Wollen wir ein Gläschen Veterano trinken?»
«Entschuldige, Carlos, aber ich verstehe wirklich nicht. Und du weißt genau, dass ich tagsüber keinen Alkohol vertrage.»
Sabatos Blick zeigte Misstrauen und Irritation: «Aber du hast inzwischen mit Tereza gesprochen, oder?»
Marthaler wurde ungehalten. «Verdammt nochmal, was soll das alles? Was habt ihr nur alle mit Tereza? Es ist wahr, es gibt im Moment ein paar Unstimmigkeiten zwischen uns. Was eigentlich los ist, weiß ich nicht. Tereza verhält sich widersprüchlich. Sie will mit mir reden, aber sie tut es nicht. Sie will damit warten, bis ich mehr Zeit habe.Aber ich habe im Moment keine Zeit. Und ich weiß noch nicht einmal, wann ich wieder Zeit haben werde. Ich weiß nicht, ob sie mir einen Heiratsantrag machen oder ob sie sich von mir trennen will. Du kannst dir also vorstellen, dass ich selbst ein wenig durcheinander bin. Meine Gedankenund Gefühle spielen verrückt… Trotzdem muss ich mich jetzt auf anderes konzentrieren.»
Marthaler wunderte sich über sich selbst. Er hatte über Dinge gesprochen, über die er normalerweise nicht sprach. Dennoch war er froh, es getan zu haben.
Sabatohielt seinem Freund beide Handflächen entgegen. Er wollte Marthaler beschwichtigen. «Okay», sagte er. «Lass gut sein. Entschuldige, wenn ich dir zu nahe getreten bin. Das war nicht meine Absicht. Dann sag also, was du willst. Schließlich muss es einen Grund geben, wenn du in meine Katakomben hinabsteigst. Oder hast du ein neues Kochrezept für mich?»
Marthaler lachte. «Nein. Ich will mit dir über den Fall reden. Ich brauche deinen Rat. Ich habe den Eindruck, dass wir uns heillos verheddern. Schon jetzt haben wir eine solche Fülle von Namen und Informationen, dass wir umherirren wie in einem Labyrinth.Wenn erst die Hinweise aus der Bevölkerung hinzukommen, wenn wir mit unseren Befragungen fortfahren und wenn ihr die Spuren ausgewertet habt, wird das Ganze so unübersichtlich werden, dass niemand mehr in der Lage ist, alle Einzelheiten zu bedenken. Ich habe das Gefühl, dass wir uns konzentrieren müssen, aber ich weiß nicht, worauf.»
Sabato hatte die Brauen gehoben. «Und das sagst ausgerechnet du, der immer dagegen ist, sich zu früh festzulegen. Du bist es doch, der sonst darauf besteht, so lange wie möglich nach allen Seiten zu ermitteln.»
Marthaler schwieg.
«Gut»,fuhr Sabato fort, «ich verstehe, was du meinst. Und mir geht es ähnlich. Es kommt mir vor, als würden wir im Dunkeln tappen.Als sei da jemand, der genau das will. Und immer, wenn wir glauben, ein Licht zu sehen, ist es ein Irrlicht.All die möglichen Motive, die ihr bisher bedacht habt, kommen mir lächerlich vor. Es kann nicht sein, dass jemand ein solches Verbrechen begeht, weil er verhindern will, dass sein Vater wieder heiratet.Auch ein Beutelchen mit Heroin ist kein Grund. Und dass ein verheirateter Staatssekretär mit seinerAssistentin schläft und hinterher noch zu einer Prostituierten geht, ist vielleicht nicht der Normalfall, aber, mal ehrlich, wenn es deshalb jedes Mal ein solches Gemetzel gäbe…»
Sabato verstummte. Marthaler wartete, dass der Kriminaltechniker weitersprach und einen Schluss aus seinen Bedenken zog.
«Also?»
«Ich weiß nicht. Das Ganze ist größer. Größer, als wir alleim Moment noch ahnen.Entweder es gibt etwas, das wir übersehen haben, oder etwas, das wir noch gar nicht wissen.»
«Aber was könnte das sein?»
«Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder steckt eine riesengroße politische Sauerei dahinter. Dann müssten wir das Motiv im Innenministerium suchen. Oder aber Kerstin hat recht.»
«Inwiefern?», fragte Marthaler.
«Sie meint, dass der Schlüssel zu dem Ganzen die Französin ist.»
«Und was meinst du?»
«Kerstin ist eine kluge Frau und eine gute Ermittlerin. Ich denke, sie weiß, was sie sagt.»
«Wobei wir noch nicht einmal wissen, ob die Frau, von der wir sprechen, wirklich aus Frankreich kommt», gab Marthaler zu bedenken. «Außer derAussage der Tänzerin haben wir dazu nichts.»
«Du kannst davon ausgehen, dass dieseAussage stimmt», sagte Sabato. «Die Lippenstiftspuren, die Schillings Leute auf dem Bootsichergestellt haben, stammen von einem Produkt, das exklusiv für eine Parfümerie hergestellt wird, von der es nur ungefähr dreißig Filialen gibt – alle in Paris und der näheren Umgebung. Das hat dieAnalyse eindeutig
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