Partitur des Todes
und T-Shirts.Mehrmals drehten sie sich zu ihm um. Er war es gewohnt, dass er wegen seiner Größe immer wiederAufmerksamkeit erregte. Er lächelte den Mädchen zu, dann schnitt er eine Grimasse. Die beiden liefen kichernd davon.
Frantisek ging zu einem der Imbissstände und bestellte eine Portion Rievkoche mit Apfelmus. Dann setzte er sich auf die untersten Stufen der Treppe, die zur Domplatte hinaufführte,und nahm seine Mahlzeit ein.
Anschließend schlenderte er eine Weile durch die Einkaufsstraßen und besah sich die Schaufenster. Die modische Kleidung, die hier angeboten wurde, war ihm ausnahmslos zu klein.Am Friesenplatz fand er ein Geschäft für Übergrößen, ging hinein,durchstöberte eine Viertelstunde lang dasAngebot, merkte dann aber, dass er nicht in der Stimmung war, etwas anzuprobieren, und verließ den Laden unverrichteter Dinge.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof entdeckte er in derAuslage eines Schmucklädchens ein kleines Collier, das ihm gefielund von demer hoffte, dass es auch Kerstin gefallen würde. Er ging in den Laden, ließ sich das Schmuckstück als Geschenk einpacken und steckte das Päckchen wie eine Beute in die Jackentasche. Für ein paar Sekunden hatte er die Befürchtung, Kerstin könne ein solches Geschenk missverstehen, dann schob er den Gedanken beiseite.
Als er den Bahnhof wieder erreicht hatte, merkte er, dass es immer noch zwanzig Minuten zu früh war. Er beschloss, die Zeit für einen kurzen Besuch im Dom zu nutzen. Kaum hatte er das riesige Gotteshaus betreten, wurde ihm kalt. Bevor er sein Jackett wieder überzog, benetzte er seine Fingerspitzen mit Weihwasser und bekreuzigte sich. Dann kniete er sich in eine der hinteren Bänke und begann zu beten.
Als er den Alten Wartesaal betrat, schaute er auf die Uhr.Es war 15.25Uhr. Kaum hatte er sich an einen der Tische gesetzt, sah er, wie ein Mann hereinkam, der sich suchend umschaute. Oliver Frantisek hob die Hand und winkte dem Mann zu.
«Oh, Sie sind aber wirklich sehrgroß», sagte der Mann in einwandfreiem Deutsch, aber mit stark französischemAkzent.
«Bonjour, Monsieur Lambert», sagte Frantisek. «Ja, man erkennt sich immer.»
«Nennen Sie mich bitte Marcel. Gegen Sie komme ich mir vor wie eine halbe Portion. So sagt man doch auf Deutsch?»
Frantisek lachte. «Ja, so sagt man.»
«Bon, dann lassen Sie uns gleich beginnen. Meine Konferenz geht in einer Stunde weiter.»
Sie warteten, bis der Kellner die Getränke gebracht hatte, dann begann Marcel Lambert zu sprechen. Er war Mitglied jener Sondereinheit der französischen Polizei gewesen, die 2002 den Überfall untersucht hatte, bei dem zweihundert Pistolen der Marke Desert Eagle geraubt und zwei Sicherheitsleute ermordet worden waren. Vier mit Maschinenpistolen bewaffnete Motorradfahrer hatten den Transporter auf seinem Weg vom Flughafen in die Innenstadt gestoppt und sofort das Feuer eröffnet. Die Täter hatten die Beute in einen bereitstehenden Pkw geladen und waren unerkannt entkommen.
Lambert schilderte seinem deutschen Kollegen in Kurzform den Tathergang und die Ergebnisse der anschließenden Ermittlungen. Während er aufmerksam zuhörte, machte sich Oliver Frantisek gelegentlich Notizen. Schließlich erfuhr er, dass er sich getäuscht hatte. Er hatte angenommen, dass alle geraubten Pistolen bis heute verschwunden geblieben waren.
«Es hat zwar lange gedauert», sagte Marcel Lambert. «Aber nach eineinhalb Jahren hatten wir endlich Erfolg. Im Hafen von Marseille wurde ein Schiff kontrolliert, das mit europäischen Hilfsgütern nach Gaza auslaufen sollte. In den Containern mit Kleidung, Medikamenten und Lebensmitteln fand man eine Holzkiste, in der fünfundzwanzig der gestohlenen Pistolen gefunden wurden. Ein Mitglied der Schiffsbesatzung hatte die Kiste an Bord geschmuggelt. Die Pistolen waren für die Kämpfer der islamistischen Hamas bestimmt.»
«Das heißt, die ursprünglich in Israel entwickelten Waffen wurden gestohlen, um sie im Kampf gegen Israel einzusetzen?»
«So istes. Leider sind wir nie an die französischen Hintermänner herangekommen. Der Matrose hatte mehrAngst vor der Rache seiner Auftraggeber als vor unseren Gefängnissen. Und bedauerlicherweise haben wir die Sache erst entdeckt, als die Aktion bereits beendet war: Es hatte bereits vorher fünf gleich große Lieferungen nach Gaza gegeben. Fünf Kisten mit je fünfundzwanzig Desert Eagle hatte die Hamas bereits erhalten. Nachdem die Sache aufgeflogen war, hat der querschnittgelähmte Scheich
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