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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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Taxichauffeur.
    «Wir sind gleich da. Zingler steht mit seinem Wagen vor dem Hauptbahnhof. Wir fahren an ihm vorbei, und ich zeige Ihnen den Mann unauffällig. Dann fahren wir weiter, und Sie steigen an der Südseite aus.» Inmitten des Pulks der anderen Taxis, die vor dem Bahnhof auf Kundschaft warteten, stand Zingler neben seinemWagen und las Zeitung.Marthaler näherte sich von der Beifahrerseite. Er bemerkte, dass der Wagen zwar noch eine Beule aufwies, dass das Rücklicht aber bereits repariert war.Als er die Wagentür öffnete, begannen die weiter vorne stehenden Fahrer zu protestieren. Marthaler zeigte seine Marke und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    «Was soll das?», fragte Zingler, der den Kopf zur Tür hereingestreckt hatte.
    «Setzen Sie sich!»
    Murrend nahm der Mann hinterdem Steuer Platz. «Wenn Sie wegen der Sache in der Schweizer Straße kommen… das ist bereits erledigt», sagte er. «Ich hab mich mit dem Halter des anderen Fahrzeugs geeinigt.»
    «Das interessiert mich nicht», sagte Marthaler. «Mich interessiert die Frau, die Sie gefahren haben. Ich will, dass Sie mir die Frau beschreiben. Ich will wissen, wo sie eingestiegen ist.»
    Zingler lachte. «Wenn Sie wüssten, wie viele Gäste ich jeden Tag fahre… KeineAhnung…»
    Marthaler beugte sich zu dem Mann hinüber. «Hören Sie», sagte er leise. «Sie haben vorgestern eine Frau ans Mainufer gefahren, in die Nähe jener Stelle, an der kurz darauf ein fünffacher Mord geschehen ist. Und Sie wollen mir erzählen, dass Sie sich daran nicht erinnern?»
    «Wenn ich es Ihnen doch sage. Ich kann mir nicht jeden Fahrgast merken.»
    Als Marthaler zu brüllen begann, zuckte der Mann zusammen: «Wollen Sie, dass wir die Taxizentrale auseinandernehmen? Sollen wir Ihre Unterlagen durchforsten? Wollen Sie, dass ich Sie vorlade und zu einerAussage zwinge?»
    Zingler war blass geworden. Eine halbe Minute sah er schweigend aus dem Fenster. «Ich bin nicht selbst gefahren», sagte er schließlich.
    «Sondern.»
    «Ein Fidschi.»
    «Ein was?», fragte Marthaler.
    «Ein Vietnamese. Er fährt den Wagen, wenn ich keine Zeit habe. Die Räder müssen rollen.»
    «Und dieser Vietnamese hat auch einen Namen?»
    «Ich nenne ihn Hotschi.»
    «Hotschi?»
    «Ja, wie Ho Chi Minh.»
    «Und Hotschi hat wahrscheinlich weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltserlaubnis. Und bekommt einen Hungerlohn.»
    Zingler zuckte mit den Schultern.
    «Und wo wohnt dieser Hotschi? Verdammt, Mann, reden Sie!»
    «In Preungesheim», sagte Zingler.
    «Dann bringen Sie mich da jetzt hin», sagte Marthaler. «Und zwar, ohne dass Sie das Taxameter einschalten.» Während sie in den Norden der Stadt fuhren, sagte Marthaler kein Wort. Hinter der Friedberger Warte bogen sie nach links in die Homburger Landstraße. Nach einiger Zeit kamen sie an dem riesigen Gelände der Justizvollzugsanstalt vorbei. Der Mann, der Hotschi genannt wurde, wohnte in einem der zahlreichen Siedlungshäuser auf der Rückseite der hohen Gefängnismauern.
    Zingler parkte den Wagen am Straßenrand.
    «Und jetzt?», fragte er.
    «Sie gehen vor! Sie klingeln und sorgen dafür, dass Hotschi nicht abhaut. Stellen Sie mich als einen Freund vor. Oder besser: Stellen Sie mich als jemanden vor, der einen Auftrag für ihn hat. Sollte irgendetwas schieflaufen, werde ich Sie hochgehen lassen. Ist das klar?»
    Zingler brummte. Er stieg aus und ging auf die Haustür eines der Wohnblocks zu. Marthaler schaute auf das Klingelschild. Es standen ausnahmslos ausländische Namen darauf.
    Die Wohnung befand sich im zweiten Stock. Ein kleines Mädchen öffnete die Tür.Es war barfuß und hatte lange dunkle Haare.Aufdem Boden im Flur spielten zwei weitere Kinder.Aus allen Zimmern hörte man Stimmen. Eine junge Fraukam aus der Küche und begann sofort, auf die beiden Gäste einzureden. Ihre Hände waren mit Teig und Mehl verschmiert.
    «Das ist Hotschis Frau», sagte Zingler.
    Marthaler brauchte eine Weile, bis er merkte, dass die Frau versuchte, deutsch mit ihnen zu sprechen. Trotzdem begriff er nichts von dem, was sie sagte. Durch die geöffnete Küchentür sah er ein altes Paar am Tisch sitzen. Die beiden schauten ihn mit ängstlichenAugen an. Marthaler lächelte und sagte guten Tag. Sofort begannen dieAlten mit den Köpfen zu wackeln.
    «Mein Gott, wie viele Leute wohnen denn hier?»
    «Mal neun, mal zehn, mal mehr.Auf siebzig Quadratmetern», sagte Zingler. «Alles Fidschis.»
    Sie warteten, bis die junge Frau ihre Hände von dem klebrigen

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