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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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seine Lippen gekommen war. Weitergegangen war es damit, dass er Christine Delaunay kennengelernt und von ihr den alten Umschlag und die Nachrichten über seinen Vater erhalten hatte. Und jetzt hatte er dieses Buch gelesen und dabei gelernt, dass es Menschen gab, denen es ähnlich ergangen war wie ihm selbst, die aber ganz andere Schlüsse daraus gezogen hatten.
    Mademoiselle Blanche öffnete die Küchentür. Sofort zog der Duft von gebratenem Fleisch, von Zwiebeln, Lauch und Lorbeer durch die Wohnung. Sie stand im Türrahmen, trocknete ihre Hände an der Leinenschürze ab und lächelte ihn an.
    «Was ist mit dir, du Faulpelz», rief sie. «Wenigstens den Wein könntest du öffnen.»
    «Zu Befehl, mon général!», antwortete Monsieur Hofmann, erhob sich aus seinem Sessel und ging an das Büfett, um den Korkenzieher und die Flasche roten Côte de Beaune zu holen, die er vor zwei Tagen in dem Feinkostladen an derAvenue Gambetta gekauft hatte.
    Während er hörte, wie Mademoiselle Blanche in der Küche die Salatsoße zubereitete, schaltete er den Fernseher ein und begann den Tisch zu decken.Als erdie Teller aufgestellt, die Gläser gefüllt, die Servietten gefaltet hatte und gerade im Begriff war, die Bestecke auszurichten, hielt er plötzlich inne. Während man auf dem Fernsehschirm drei junge Musiker sah, die ein Trio für Klavier, Geige und Cello probten, lief über den unteren Rand des Monitors ein Schriftband mit einer Sondermeldung.
    Monsieur Hofmann stand vor dem Fernseher und traute seinenAugen nicht. Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich hatte er sich getäuscht. Er wartete einen Moment, bis die Meldung erneut erschien, dann setzte er sich in seinen Sessel und rief nach Mademoiselle Blanche.
    «Komm sofort her! Du glaubst nicht, was geschehen ist.» Er wartete einen Moment, dann rief er erneut voller Ungeduld: «Was machst du denn? Nun beeil dich doch!»
    Kurz darauf stand sie hinter ihm, stützte ihren Kopf auf die hohe Sessellehne und starrte nun ebenfalls auf den Bildschirm.
    «Heilige Scheiße!», rief sie aus.
    Monsieur Hofmann wandte sich um und sah seine Geliebte verwundert an.
    Dann – als könne auch sie nicht glauben, was sie sah – las Mademoiselle Blanche den Text der Sondermeldung halblaut mit: «Im Zusammenhang mit dem fünffachen Mord in Frankfurt erreicht uns soeben folgende Nachricht: Die französische Journalistin Valerie Rochard, eine Mitarbeiterin des Fernsehsenders arte, wird vermisst. Die Polizei geht von einer Entführung aus. Näheres dazu in unseren Abendnachrichten.»
    Mademoiselle Blanche schaltete den Fernseher aus und setzte sich an den Tisch. Schweigend sahen sich die beiden Alten an.
    Monsieur Hofmann war blass geworden. Ein ums andere Mal schüttelte er den Kopf. «Und jetzt?», fragte er. «Was machen wir jetzt?»
    «Ich glaube, ich brauche etwas zu trinken», sagte Mademoiselle Blanche.
    Stummhoben sie ihre Gläser und nahmen jeder einen Schluck.
    «Lass uns warten», sagte sie. «Wir müssen sehen, was sie in den Nachrichten bringen. Dann können wir entscheiden, was zu tun ist.»
    «Was hat sie nur gemacht?», sagte Monsieur Hofmann. «Als hätte ich sie nicht gewarnt, dort hinzufahren. Was ist das für ein Land!»
    «Wollte sie dich nicht anrufen? Hast du nicht mit ihr vereinbart, dass sie sich meldet?»
    «Ich war die ganze Zeit bei dir. Wie hätte sie mich erreichen sollen?»
    «Heilige Scheiße aber auch.»
    Mademoiselle Blanche ging zurück in die Küche, nahm das Bœuf Bourgignon vom Ofen und brachte es ins Wohnzimmer. Dann holte sieden Salat und das Baguette.Als sie sich gegenübersaßen und zu essen begannen, sah sie, dass Monsieur Hofmanns Hände zitterten.
    Besorgt sah sie den alten Mann an: «Was ist mit dir, Georges?»
    |256| «Ich habe Angst», sagte er. «Ich hätte sie nicht fahren lassen dürfen.»
    «Es ist nicht deine Schuld.»
    «Doch», sagte er.
    «Sie war es, die fahren wollte.»
    «Ich hätte es ihr verbieten können. Wenn ich ihr die Partitur nicht gegeben hätte, hätte sie keinen Grund gehabt, dorthin zu fahren.»
    Schweigend saßen sich die beiden Alten gegenüber und stocherten in ihrer Mahlzeit. Kurz bevor die Nachrichtensendung begann, stellte Mademoiselle Blanche den Fernseher wieder an.
    Dann sahen sie das Foto von Valerie auf dem Bildschirm.Es folgten Bilder von dem kleinen Restaurantschiff auf dem Main, von dem Hotel, in dem die junge Journalistin ein Zimmer gemietet hatte, und vom Frankfurter Hauptbahnhof. Schließlich erschien ein

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