Partitur des Todes
noch.
Nach einer Minute zog Barbara Pavelic langsam ihre Bikinihose aus. Erst jetzt sah Marthaler, dass sie darunter einen Stringtanga trug. Es dauerte weitere sechzig Sekunden, bis sie ihr Oberteil auf die Bühne warf. Sie hangelte sich an der Messingstange empor und ließ sich dann langsam zu Boden gleiten. Dort legte sie sich auf den Rücken, streckte ihren Oberkörper heraus und spreizte die Beine.Als sie sich auf den Bauch wälzte, schaute sie direkt in Marthalers Richtung. Er merkte, wie ihr Lächeln für einen Moment gefror.
Sie hatte ihn erkannt.
Er nickte ihr zu, und sie hob zurAntwort kurz die Brauen,als wolle sie ihm klarmachen, dass sie sein Zeichen verstanden habe.
Als siewieder auf den Beinen stand, war auf ihrem Gesicht keine Spur mehr von dem stummen Dialog zu sehen. Sie lächelte genauso unbeteiligt wie zuvor. Sie wiegte sich noch ein paar Mal in den Hüften, dann zog sie auch ihren Tanga aus. Jetzt hatte sie nur noch ihre Stilettos an. Drei Sekunden später verließ sie mit schaukelndem Hintern und blinzelnden Tattoos die Tanzfläche.
Die beidenAsiaten grinsten sich lange an.Als Marthalerapplaudierte, lachten sieihm zu und klatschten ebenfalls zaghaft in die Hände.
Er überlegte kurz, ob er hinter die Bühne gehen sollte, um zu verhindern, dass Barbara Pavelic durch irgendeinen Hinterausgang verschwand. Stattdessen winkte er der Kellnerin zu.
«Und?Womit kann ich dienen?», fragte sie, als er keineAnstalten machte, seine Bestellung aufzugeben.
«Oh», antwortete er, «haben Sie in der Zwischenzeit einen Benimmkurs besucht? Ich nehme noch ein Pils. Es darf auch ruhig ein wenig Schaum haben. Den zahle ich gerne mit.»
Sie schnaubte und zog ab.Auf der Bühne tanzte inzwischen ein anderes Mädchen. Es war deutlich zierlicher und wesentlich jünger als seine Vorgängerin.
Fünf Minuten später kam Barbara Pavelic an Marthalers Tisch und brachte ihm das Bier. Sie hatte wieder ihren Bikini an. Der Hauptkommissar machte sich darauf gefasst, dass die Tänzerin ihn umgehend beschimpfen würde. Stattdessen setzte sie sich neben ihn.
«Und?», fragte sie, während siesich eine seiner Mentholzigaretten aus dem Päckchen fischte. «Sind Sie heute besser gelaunt?»
Marthaler gab ihr Feuer. Er bemerkte, dass sich ihr Ton geändert hatte. Immerhin siezte sie ihn jetzt. «Ich war nicht schlecht gelaunt, ich habe nur…»
Sie hob die Hand zum Zeichen, dass sie seine Erklärungen nicht hören wollte.
«Sie hatten übrigens recht», sagte sie und setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber.
«Womit?»
«Dass ich nicht so ordinär bin, wie ich neulich versuchte zu sein.»
Marthaler nickte.
«Jedenfalls hoffe ich das», ergänzte sie lachend.
«Möchten Sie etwas trinken? Darf ich Sie einladen?»
«Ich weiß nicht, ob das klug wäre, wenn Sie… als Polizist mich hier…»
«Das lassen Sie meine Sorge sein», erwiderte Marthaler. «Ich zahle privat.»
Barbara Pavelic winkte der Kellnerin zu. «Dann nehme ich einen Gin Tonic.»
«Wie geht es Ihnen?», fragte Marthaler.
«Es geht», sagte sie. «Schlechter, als ich gedacht hätte. Es fehlt jemand, der immer da war. Ich hatte mich an den kleinen Stinker gewöhnt. Können Sie mir sagen, wann ich ihn unter die Erde bringen kann?»
Marthaler zuckte mit den Schultern. «Es wird noch dauern, bis die Gerichtsmediziner fertig sind.Auch wenn ich nicht weiß, was diesmal bei den Untersuchungen herauskommen soll.Aber wir werden uns bei Ihnen melden.»
«Das wäre nett», sagte sie und senkte rasch die Lider. Marthaler hatte den Eindruck, in ihremAugenwinkel eine Träne zu sehen. «Haben Sie gehört, was geschehen ist?», fragte er. «Wir wissen inzwischen, werdie Französin war, mit der sich Ihr… mit der sich Joachim Morlang getroffen hat.»
«Ja, ich habe vorhin ihr Foto in den Nachrichten gesehen. Ein hübsches Mädchen. Sie ist entführt worden, nicht wahr?»
«Davon müssen wir ausgehen. Sie ist Journalistin. Sie wollte mit Morlang wahrscheinlich über sehr wertvolle Noten reden. Fällt Ihnen dazu etwas ein? Hat er irgendwas in dieser Richtung erwähnt?»
Eine andere Frau hatte die Bühne betreten und begann zu tanzen. Ihre Haut war fast so dunkel wie ihr schwarzer Bikini. Ihre Augen und Zähne leuchteten. Marthaler schaute sie unverwandt an. Für einen Moment glaubte er, die junge Frau aus demNizza wiederzuerkennen.
«Gefällt sie Ihnen?», fragte Barbara Pavelic und grinste Marthaler an. «Soll ich mit meinerAntwort lieber noch warten?»
«Nein,
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