Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen

Titel: Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Langen Müller
Vom Netzwerk:
»Akademiker« handelte, der in dieser Familie noch nicht vorgekommen war. Und als der dann auch noch summa cum laude promovierte und eine beginnende Universitätslaufbahn den Titel »Professor« ahnen ließ, war der Freude um die standesgemäße Bereicherung kein Ende mehr.
    Es wurde geheiratet. Die Vorbereitungen für dieses Fest machten klar und immer klarer, dass zwischen den Eltern der Braut und dieser in allen Dingen selbst bestimmten jungen Frau deutliche Geschmacksdifferenzen bestanden. Zähe setzte sie von Einladungsliste bis Lokal- und Menüwahl ihre Vorstellungen durch. Die elterlichen Einwände, die jungen Leute von heute wüssten einfach nicht mehr, was Stil ist, überhörte sie.
    Das junge Paar zog in eine kleine, hübsche Mietwohnung. »Für den Anfang«, meinten ihre Eltern, »reicht das doch.« Damit war wohl gemeint, die Ankunft eines Kindes würde ihre Großzügigkeit zu ganz anderen Investitionen inspirieren. Das Kind kam aber nicht. Er unterrichtete an der Uni, und sie setzte sich sogar einige Male in seine Vorlesungen.
    Es vergingen Jahre. Sie studierte kaum mehr, kümmerte sich im Wesentlichen um Theater- und Konzertkarten. Die Einrichtung der Wohnung für zwei war allerdings ihr Werk. Und die sah so aus, dass ihre Eltern bei den ohnehin sehr seltenen Besuchen äußerste Mühe hatten, in den Formulierungen ihres Unverständnisses taktvoll zu bleiben.
    Das Pendel schlug zurück, als die Eltern knapp hintereinander starben. Die kinderlose Frau des Universitätsprofessors war Alleinerbin einer Villa in erster Lage.
    Natürlich trat das Paar das Erbe an. Noch hatte man die Hoffnung auf Fortpflanzung nicht aufgegeben, noch hatten die zu Rate gezogenen Gynäkologen eine künstliche Befruchtung nicht als die einzige verbleibende Möglichkeit attestiert. Jetzt musste sich der Professor mit ansehen, wie seine Frau mit beispielloser Konsequenz die Einrichtung des Elternhauses liquidierte, die »schönsten« Stücke möglichst rasch und oft unter Preis verkaufte. Sie glühte vor Begeisterung und spielte ihm immer gekonnt vor, wie sehr sie ihn in ihre Entscheidungen einbezog, wie sehr sie von seinem Beifall abhängig wäre. In wenigen Wochen war das Haus innen nicht mehr zu erkennen. Er traute sich kein letztes Urteil zu, aber dass es ein Wurf war, eine kompositorische Leistung, das war ihm bewusst. Er wurde virtuos im Simulieren von Begeisterung, wiewohl es nichts anderes war als Verzicht auf eine eigene Meinung. Er lieferte sich aus.
    Bei der Housewarming-Party nahm er die Gratulationen mit Freude entgegen. Es wurde ausdrücklich gelobt, dass ein so seriöser, eleganter, stilsicherer Mann diese grandiosen »Verrücktheiten« so schätzt.
    Drei Jahre danach war er Witwer. Es geschah am Tennisplatz. An einem späten Sommersonntag-vormittag. Während eines Mixed-Doppels. Gerade hatte man nach einem langen Ballwechsel noch gelacht, weil der Professor einen todsicheren Smash neben die Linie setzte, als seine Frau taumelte und umfiel. Schon die Rettungsärzte tippten auf ein Aneurysma. Sie hatten recht. Zehn Tage lang sah er sie noch an Schläuchen hängen, bis die Ärzte bereit waren, sie tot sein zu lassen.
    Er war zum ersten Mal in seinem Leben allein. Seine Eltern gab es schon lange nicht mehr, ein älterer Bruder war als Arzt nach Australien gegangen und schrieb seit Jahren die Weihnachtskarte nur mehr auf Englisch. Nirgendwo empfand er das Alleinsein mehr als im – nunmehr seinem – Haus.
    Es fehlte der Mensch, der dieser Dekoration, diesem Bühnenbild einer Existenz die Authentizität verlieh. Er wusste nicht, entsprach er nicht diesem Haus, oder entsprach das Haus nicht ihm in seiner Eigenschaft als Alleinseiender?
    Eine immer wiederkehrende Frage ließ ihn fast panisch werden: Darf man einen Stil erben? Darf man sich breitmachen in einem Dekor, in dem ein Mensch fehlt? Momente lang machten ihn die gnadenlose Vermengung von kostbarer Antiquität mit extremer, funktionaler Moderne und die mutwillige Raumaufteilung aggressiv. Dann fragte er sich wieder schlicht, ob er spinne.
    Der Ruf aus Rom kam zum richtigen Zeitpunkt. Eine Gastprofessur. Geradezu erleichtert packte er seine Koffer. Gerne sperrte er das Haus hinter sich zu. Das Haus, das ohne diese Verstorbene für ihn offenbar unbewohnbar war. Das sagte ihm sein letzter Blick zurück.
    Rom machte ihm den Beginn eines neuen Lebens leicht. Seine Vorlesungen waren ein Erfolg. Die Einbindung in private Zirkel ging spielerisch, eben italienisch,

Weitere Kostenlose Bücher