Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
sollte er den Gedanken an ein langzeitiges Zusammenleben ganz rasch fallenlassen. Er wartete mit seinem Versuch auf einen günstigen Augenblick.
Ein Freund hatte von seinem Vater, der Jagdhaus und Fischwasser eines anderen mitbenutzen durfte, geangelte Forellen bekommen. Er wollte sie am Abend in der Folie braten.
Die Einladung kam telefonisch. »Gerne«, sagte der Eingeladene, »finden wir riesig. Natürlich haben wir Zeit.«
Dann sah er dem kontrollierenden Blick dieses Mädchens voll entgegen und meinte ins Telefon, für eine Nichtfischesserin würde sicher auch vorgesorgt sein. Das wurde bejaht. Und sie, sie nickte zufrieden. Er hatte daran gedacht, dass sie keinen Fisch aß. Er bekam offiziell einen Gutpunkt.
Möglicherweise dachte sie sich: »Dieser Schmierist!« Aber sie hätte das damals so geleugnet, wie er heute leugnen würde, damals der Schmierist gewesen zu sein, der er war.
Wir wissen doch mit den Jahren, es gibt ein gewisses Maß an Unaufrichtigkeit, das ein Zusammenspiel zweier Menschen erst ermöglicht. Ehrlichkeitsfanatiker, die gar noch Fragen wie »Fisch oder nicht Fisch« in ihren wirren Wertekategorien unterbringen, sind zum Desaster verurteilt.
Da der Abend besonders gelungen war und die Forellen eben nicht aus diesen deprimierenden Bassins der Gastronomie stammten und daher nicht unüberschmeckbar freitagsfischähnlich waren, hielt er dem Mädchen überfallartig ein leicht mit Zitrone und etwas Grünem versehenes Stück vor den Mund.
»Magst du kosten?«
Sie kostete. Die Antwort kam sehr abgewogen, erstaunlich reif für einen so jungen Menschen.
»Du weißt, ich mag an und für sich keinen Fisch, aber der schmeckt mir.«
Das war ein Schlüsselsatz, das spürte er sofort.
Ein Schlüsselsatz für diese sich für ein Leben anbahnende Beziehung, wie man Liebe damals noch nicht nannte.
Sie aß an diesem Abend fast eine ganze halbe Forelle, sich, ihm und der Schöpfung noch stark misstrauend.
Seine Strategie war klar. Nur die konsequente Politik der kleinen Bissen konnte es bringen.
Hatte dieser Forellenabend den Zauber der Studentenbude, der Kochimprovisation, der Knutschereien auf dem Teppich, des über diesen geschütteten Weines und der zerkratzten Platten gehabt, war der zweite Glücksfall ein lauer Abend draußen am Flussstrand mit viel Wein und Weißbrot im Korb auf dem Wachstischtuch, mit Knoblauchduft und durch den Wind verzogenen Tönen der Zigeunergeige.
In dieser Gegend sagt man Schill zu dem Fisch, den andere als Fogosch oder Zander kennen. Als dieser am Nebentisch in papriziertem Rahm hörbar genossen wurde, überredete er seine Frau zu einem für beide als Vorspeise.
Er lauerte auf einen bestimmten Satz. Er wusste, wenn er kam, unverändert wieder kam, war die Entscheidung so gut wie gefallen. Er kam.
»Ich mag zwar an und für sich keinen Fisch, aber der ist wirklich ganz gut.«
Nichts war also Zufall gewesen. Nichts Laune. Es war ein Programm, ein langfristiges Programm, das seinen Ausgang voraussetzte, sich aber noch zu Zwischenphasen verpflichtet fühlte. Er wäre nun der Blödeste gewesen, hätte er ihr erklärt, das Programm begriffen, die Formulierung wiedererkannt zu haben.
Es galt jetzt, da sich ein Erfolg immerhin erreichbar zeigte, nur ja nicht übermütig zu werden.
Er brachte lieber – in der Manier des Seelenarztes neben der Couch – das Gespräch wieder auf den Freitagsfisch vergangener Zeiten. Er war zart, verständnisvoll und bereit, das Gespräch sofort abzubrechen, wenn eine zu starke Belastung der geliebten Patientin zu befürchten war. Aber er brachte sie doch dazu, den Speisezettel ihrer Kindheit zum Teil sehr rüde zu kommentieren.
Die Weiterentwicklung der Sache war folgerichtig und ist leicht zusammenzufassen.
Als er nach dem Skifahren auf der Karte des Dorfgasthauses tatsächlich »Waller im Wurzelsud« las, holte er sich wieder den Satz ab, der ihn für seine Unterlegenheit auf der Piste und den abgetauten Hosenboden mehr als entschädigte: »Ich kann Fisch nicht leiden, aber der schmeckt wirklich nicht nach Fisch.«
Er ließ einfließen, dass gerade der hier nach Fisch schmecke und anderes in grauer Vorzeit Eingenommene eben nicht.
Wohlgemerkt, er tat das nicht so bestimmt, tat das mehr mit Andeutungen, mit »Sag einmal, könnte nicht …«-Sätzen. Er gab ihr jede Chance, selbst draufzukommen.
Sie spielten das Spiel mit Branzino und Orata in Italien, wohl wissend, dass die Preise dem Urlaubsbudget nicht zumutbar waren. Sie
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