Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
spielten das Spiel mit dem Loup de Mer und dem polnischen Karpfen.
Man weiß, da handelt es sich um ein Fischrezept, das schon höhere Weihen voraussetzt. Da sind schon geriebener Lebkuchen und Rosinen mit im Spiel. Eine bewusste Diskussion dieser Zubereitungsart wird für gewöhnlich zur Ahnenforschung, denn kaum jemand aus ehemals monarchischen Gegenden hat nicht eine Großtante gehabt, die nicht einmal erzählt hätte, der Vater eines Neffen hätte gerade diesen Karpfen für sein Leben gern gegessen.
Als sie dann eines Tages im Hamburger Hafen eine Seezunge aßen und er – nach einigen Seezungen seines Vorlebens – erstmals erfuhr, wie sie wirklich sein kann, sagte seine Frau: »Dafür, dass ich Fisch grundsätzlich nicht mag, ist der aber ausgezeichnet.«
Er schüttete den Klaren hinunter, atmete tief ein und suchte die alles entscheidende Entscheidung.
Die Situation musste günstig sein. Das Lokal war groß, hell, freundlich.
Er hatte kein schlechtes Gewissen. Die Bedenkzeiten diplomatischer Etikette waren eingehalten worden. Überziehen hätte Schwäche signalisiert. Zu einem gewissen Druck im Ton fühlte er sich nach all der Zeit und der Beweislast berechtigt.
»Hättest du die unendliche Güte, nicht mehr zu behaupten, du magst keinen Fisch, wenn du« – und jetzt folgte die von ihm sorgsam gespeicherte Aufzählung aller klassischen Fische, die ihr bis dato als Ausnahme geschmeckt hatten – »magst. Findest du es nicht einigermaßen lächerlich, nicht einmal laut zu sagen, ich mag Fisch!?«
Sie machte den letzten verzweifelten Versuch, diese Freitage ins Spiel zu bringen. Er winkte ab und sah sie forschend und bittend an.
Dann sagte sie endlich:
»Ich liebe Fisch.«
Die Sache zwischen diesem Paar war vom Tisch. Andere mögen auf ihm geblieben sein. Aber Ehen sind die Summe derartiger Probleme. Jedes weniger ist ein großer Gewinn.
Man muss, um Unterstellungen vorzubeugen, anmerken, die Geschichte wäre auch seitenverkehrt erzählbar. Aber einem Verdacht muss im Ansatz widersprochen werden.
Dem, der junge Mann wäre Chauvi gewesen.
Nein, meine Damen und Herren, Fischesser.
Die Nacht der Erkenntnis
SIE WAREN EIN GLÜCKLICHES PAAR. Sie genossen es, alles vor sich zu haben. Er seine Karriere als Anwalt – er wollte sich auf das chancenreiche Urheberrecht konzentrieren –, sie ihren Studienabschluss in Soziologie, mit der üblichen Unsicherheit, was man danach machen könnte.
Sie hatten sich sehr jung kennengelernt, sie war noch Gymnasiastin, er noch Student. Es war auf einer Party. Er kam herein. Ein attraktiver Jüngling, sich seiner Wirkungen noch nicht so ganz bewusst, sie eine auffallende, in allem und jedem selbstbestimmte Person. Sie fragte ihre Freundin: Wer ist das? Und als man es ihr gesagt hatte, war der Entschluss da.
Sie war vor ihm noch nie über das Petting hinausgegangen, er hatte Erfahrungen. Was er nicht wissen konnte, er hatte sie ausschließlich mit Frauen gemacht, die es gerne taten, aber es war keine von denen dabei, die in Liebesraserei verfallen. Das gibt es. Auch beim Roulette kommt manchmal einige Male hintereinander rouge.
Er war also, was seine Routine betraf, nicht sehr universell, was ihn aber nicht daran hinderte, sich so zu gebärden. Er gefiel sich in der Rolle des liebevollen Lehrmeisters, versuchte seine Nervosität durch die Pose der Meisterschaft zu verschleiern.
Sie folgte ihm zögerlich, manches annehmend, manches ablehnend.
Es spielte sich ein. Es war schön. Sie sagten es einander. In vielen Formulierungen.
Sie waren ein virtuoses Tanzpaar. Im Umsetzen des Rhythmus waren ihre Körper synchron. Der Musikgeschmack differierte. Er liebte Barockmusik, sie eher Chopin und Debussy. Beide hatten Spaß daran, dem anderen zu erklären, was er versäumte. Sie lasen gerne. Und sie genossen die Auseinandersetzungen über die Qualität des Gelesenen. Er liebte etwa Kriminalromane – nur die guten, versteht sich –, sie fand das Genre total langweilig, weil, wie sie klar erkannte, die Schreiber nie schreiben dürfen, was sie wissen, weil es ja sonst kein Kriminalroman wird. Langweilig war ihnen nie.
Was die Männermode anlangt, war er absolut souverän. Das verdankte er seinem Vater, dem einst führenden Herrenfriseur der Innenstadt. Sein Wissen um den weiblichen Typus war aber offenbar mangelhaft, denn wenn er vor einer Boutique kurz stehenblieb und – auf ein Stück hindeutend – sagte: »Das würde gut zu dir passen«, nahm er ihr »Das ist nicht dein
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