Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
noch gültig?«, sie hatte natürlich bejaht. Dann bekam sie aber doch Bedenken und musste feststellen, er war nicht nur nicht abgelaufen, sondern auch nicht mehr existent, also wohl verloren. Ihr nie sehr praktisch denkendes Hirn sagte ihr immerhin, zur Beantragung eines neuen Passes braucht man dieses und jenes seiner Dokumente. Da sie ihrem Mann die Unauffindbarkeit des Passes nicht gestanden hatte, musste sie die Dokumente selbst suchen. Sie wusste ungefähr, in welchen seiner Schreibtischladen die liegen könnten. An einem sonnenbeschienenen Vormittag machte sie sich nach dem Familienfrühstück auf der Veranda, nach Verabschiedung des Ehemannes und der beiden schon das Gymnasium besuchenden Kinder auf die Suche.
Im Verlauf des eher systemlosen In-die-Hand-Nehmens von diversen Mappen und Ordnern öffnete sie eine Korrespondenzmappe, überflog die erste Seite, blätterte hastig weiter und stellte fest, die Buchstaben hatten zu tanzen begonnen. Es war der über Jahre bis in die Gegenwart sorgsam abgelegte Briefwechsel ihres Mannes mit einer anderen Frau in einer anderen Stadt. Es war das gnadenlose Protokoll eines perfekten, virtuosen Doppellebens. Das Ausmaß dieses Betruges war für sie nicht fassbar. Das hatte sie – aus bürgerlichem Haus, nach dem Abitur nicht wissend was, dann eine Ausbildung als Visagistin abschließend, den Beruf aber nie praktizierend, weil wegen ihres Aussehens und ihres Charmes von einem Nachwuchsbanker stilvoll geheiratet – nie, nie, nie für möglich gehalten. Sie fragte sich, wie sie es schaffte, noch zu atmen. Nach einem ex getrunkenen Espresso wollte sie ihren Mann anrufen, wollte ihn anschreien, durchs Telefon ermorden, dann aber wurde ihr doch auch klar, dass sie in die Aufsichtsratssitzung nicht würde verbunden werden.
Was war zu tun? Sie hatte eine enge Freundin. Eine wirklich »beste« Freundin. Eine, mit der sie über Jahre über alles, über Männer, Kinder, Hunde, Wetter, Mode und Frauenarzt gesprochen hatte. Die rief sie an. Ihre verzweifelte Bitte, sofort besucht zu werden, ließ der Freundin gar keine Wahl, als alles stehen und liegen zu lassen und ungeschminkt ins Auto einzusteigen.
Auch die Freundin, etwas älter, etwas größer und etwas dunkler, war Herrin ihrer Zeit. Sie hatte ein Psychologiestudium abgebrochen, war wegen einer Affäre mit einem verheirateten Schauspieler des Öfteren in der Zeitung abgebildet gewesen, hatte schließlich in der mit einem Kind gesegneten Ehe mit dem Herausgeber eines Intelligenzblattes ihren Hafen gefunden.
Sie traf die Betrogene heulend an.
Nachdem auch sie sich durch Blättern in der Korrespondenz vom Ausmaß des Doppellebens überzeugt hatte, dachte sie sich: Und das lässt der Mensch einfach so herumliegen?! Sie sagte aber etwas anderes. Sie sagte: »Na, das ist doch ganz klar. Den schmeißt du raus.«
Die Augen gegenüber waren vor Schreck aufgerissen.
Die Freundin bestätigte: »Du wirst doch mit diesem Menschen nicht mehr unter einem Dach wohnen wollen. Der soll zu seiner Dulcinea ziehen. Du nimmst dir einen Anwalt, ich weiß auch welchen, dein Mann hat keine Chance. Dir bleibt das Haus …«
»Und die Kinder?«, kam ein erstickter Einwand.
»Bleiben sowieso bei dir, was denkst du denn? Der Kerl muss zahlen! Und du lebst ein herrliches neues Leben. In Freiheit. Mein Gott, so wie du noch aussiehst …«
Die Frauen umarmten einander. Das Gespräch beruhigte sich. Zwei Glas von einem klebrigen, italienischen Modedrink halfen dabei.
Nach zwei Stunden konnte die Freundin die Betrogene mit gutem Gewissen allein lassen. Die wisse, was sie sagen und veranlassen würde, wenn ihr Mann des Abends wieder erschiene. Sie nahm sich sogar vor, die Kinder in ein Kino zu schicken, um sie nicht zu Zeugen einer finalen Auseinandersetzung zu machen.
Es kam anders.
Der Banker blieb cool, um nicht raffiniert zu sagen.
Er erklärte, die Briefe, offenbar unbewusst, nur aus einem Grunde so aufbewahrt zu haben, aus dem, dass sie gefunden werden konnten. Der tiefe Grund war die Hoffnung, dass sie gefunden werden . Die Hoffnung, dass es zum großen Krach kommt, die Hoffnung, dass seine schöne, über alles geliebte Frau, die Mutter seiner wunderbaren Kinder ihm die Kraft gibt, diese fürchterliche Geschichte endlich zu beenden. Natürlich wurde das ein Prozess über Tage.
Die zwischendurch angerufene Freundin warnte davor, alles zu glauben, sich wieder einkochen zu lassen, musste aber feststellen, dass ihre Haltung langsam, aber sicher
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