Partnerin wider Willen
Details natürlich.
Marcos Worte kamen Ellen in den Sinn. Seine Mahnung, Dana nicht zu trauen. Was glaubte er denn? Dass sie sich von Dana um den Finger wickeln ließ? So dumm war sie nun wirklich nicht. Natürlich wusste sie, dass Dana immer hinter irgendeiner Story herjagte und damit die Leute nervte. Aber Dana war keine Lügnerin. Soviel glaubte Ellen zu wissen. Hätte Dana die Absicht, Kranz’ Story zu schreiben, hätte sie das gesagt. Das war eine von Danas hervorstechenden Eigenschaften: ihre verblüffende, fast gnadenlose Offenheit. Man konnte davon halten, was man wollte.
Und plötzlich war er da, der Gedanke: Sie ist auf ihre Art besonders.
Es folgte Entsetzen, dann vehementer Widerspruch.
Jetzt spinnst du aber, Ellen! Dana ist eine Prüfung des Schicksals, der du gerade noch mal entkommen bist! Was soll daran besonders sein?
Trotzdem konnte Ellen nicht verhindern, dass sich ein mulmiges Gefühl in ihrem Bauch festsetzte und immer dann besonders bemerkbar machte, wenn ihre Gedanken zu einer gewissen Person wanderten.
Der Montagmorgen kam verregnet daher. Ellen stierte abwesend auf das Bürofenster, an dem sich kleine Wasserrinnsale hinabschlängelten. Sie schreckte leicht zusammen, als Marco schwungvoll die Tür öffnete und eintrat. »Obduktions- und Laborbefunde«, verkündete er und hob zwei dünne, braune A4-Mappen hoch. »Was zuerst, die alte oder die neue Leiche?«
»Der Reihe nach«, entschied Ellen.
»Also zuerst die Waldleiche von vor zehn Jahren.« Marco schlug die erste Mappe auf. »Eine ansehnliche Anzahl von Knochenbrüchen, sehr wahrscheinlich herrührend von einem Sturz aus großer Höhe. Todesursache waren die inneren Blutungen, in Folge dessen. Der Mann hätte wahrscheinlich gerettet werden können, wäre er rechtzeitig in ein Krankenhaus gekommen.«
»War er schon tot, als man ihn vergrub?«
»Ja. Aber, halt dich fest, er wurde vorher medizinisch versorgt.«
»Was? Aber du sagtest doch eben . . .«
»Vermutlich wurde der Mann zu einem Arzt in irgendeine kleine Praxis gebracht, einem nicht mehr praktizierenden Arzt mit begrenzten Möglichkeiten.«
»Wieso?«
Marco verdrehte die Augen. »Du stehst heute aber auf der Leitung. Schon vergessen? Fehlende Papiere, fehlende Versicherung«, erinnerte er lapidar.
Ellen grinste schief. Natürlich! Wo war sie nur mit ihren Gedanken? »Das heißt, die Theorie vom illegalen Arbeiter scheint sich zu bestätigen.«
»Absolut. Und das macht auch Sinn.«
»Ja?« Ellen sah keinen.
»Wir waren uns doch darüber einig, dass Kessler das Geschäft mit den Schwarzarbeitern wegen einer dummen Panne nicht aufgegeben hätte.«
»Ja.«
»Mit den Jahren hat er es wahrscheinlich sogar noch perfektioniert.«
»Ist anzunehmen.«
»Das Ganze ist heute also eine gut durchorganisierte Einheit«, stellte Marco fest.
»Hm.«
»Aber der mutmaßliche Kopf der Einheit ist tot!«
Stille.
»Du meinst . . .« Ellen zögerte. Das war doch ziemlich weit hergeholt. Sie sprachen hier von Perleberg, nicht von Palermo! »Ein Machtkampf?«
»Warum nicht? Macht ist Geld. Und Geld ist immer ein gutes Motiv. Damit landen wir wieder bei Gerstäcker. Seine Position in Kesslers Firma macht ihn zum typischen aufstrebenden Nachfolger. Aber Kessler benutzt ihn nur für die Drecksarbeit und speist ihn mit Kleingeld ab. Will ihn sogar rauswerfen.«
»Nur haben wir gegen Gerstäcker keine Beweise«, erinnerte Ellen.
Marco schnaufte. »Ich weiß.«
»Was ist mit dem Brandopfer?«, wollte Ellen wissen.
Marco legte die erste Mappe auf seinem Schreibtisch ab. Mit der anderen wedelte er in der Luft herum. »Du solltest dein Gefühl patentieren lassen«, sagte er dabei.
»Was steht drin?«, fragte Ellen ungeduldig.
Statt wie eben eine Zusammenfassung zu geben, reichte Marco Ellen die Mappe. Die schlug sie auf und begann zu lesen. Das Opfer hatte vor seinem Tod einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Hinterkopf erlitten, der zur Bewusstlosigkeit führte. Es erstickte an Kohlenmonoxid, hervorgerufen durch das Feuer. Bis dahin alles, wie der Doc schon vor Ort gesagt hatte. Wozu er nichts gesagt hatte, war die Identität – und hier kam eine kleine Überraschung.
»Eine Frau?« Ellen sah überrascht auf. »Gibt’s nicht so viele von auf einer Baustelle. Eine Architektin vielleicht?«
Marco zuckte mit den Schulten. »Möglich.«
Ellen stand auf. »Fahren wir zur Baustelle. Zeit, dass wir dem Bauleiter etwas intensiver auf den Zahn fühlen.«
Die Tür zum
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